Wendlinger Stromleitstelle gilt als „Nervensystem“ der Energiewende
Die Stromversorgung in Baden-Württemberg wird seit Kurzem offiziell zentral von der sogenannten Hauptschaltleitung in Wendlingen aus gelenkt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach vor einigen Tagen bei einem Besuch vom „Nervenzentrum“, die knapp 50 Millionen Euro teure Leitstelle sei unerlässlich für das Gelingen der Energiewende. Die EnBW-Tochter TransnetBW habe „zur rechten Zeit viel Geld in die Hand genommen“. Warum die Stromversorgung dies neue „Herz“ benötige, verdeutlichte Rainer Baake, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: Strom komme nun mal nicht mehr wie früher aus deutschlandweit 250 Großkraftwerken, sondern aus 1,8 Millionen Quellen – von der kleinen Solaranlage auf einem Dach bis hin zum Atomkraftwerk. Ein Großteil sei wetterabhängig, intelligentes Verteilen sei unerlässlich.
Mit dem Abschalten der Atomkraftwerke und dem Ausbau der Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasser werde ein reibungslos funktionierendes System noch mal wichtiger, sagte Kretschmann. Erst recht, wenn die geplanten Trassen SuedLink und Ultranet Strom aus dem Norden Richtung Süden bringen werden. Baden-Württemberg bleibe Strom-Importland. Die Leitungen enden in Philippsburg nahe Karlsruhe und Leingarten bei Heilbronn. Der Strom wird von dort ins Land verteilt. Baden-Württemberg hat das Ziel, 2050 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu ziehen.
Herzstück der Anlage in Wendlingen, die nach zwei Jahren Bau- und Erprobungszeit in Betrieb gegangen ist, ist eine 18 mal sechs Meter große Monitorwand, deren Darstellung für Laien eher nach einem Strickmuster aussieht. Jedes Kraftwerk, jedes Umspannwerk, jede Verteilleitung im Land sind dokumentiert. Die Experten, die etliche weitere Bildschirme im Blick halten, sehen, welches Kraftwerk gerade Strom ins Netz gibt, wie viel Strom produziert und wie viel tatsächlich benötigt wird. Ausfälle würden in Sekundenschnelle aufgezeigt, bei größeren unterstützt durch einen Gongschlag. Rasch können sie dann nachsteuern, andere Stromquellen zuschalten oder Strom umlenken. An 300 Tagen im Jahr müsse man irgendwo regelnd eingreifen, berichtete Jens Langbecker von TransnetBW. Mit durchschnittlich zwölf Minuten Stromausfall im Jahr liege Baden-Württemberg ganz weit vorn, sagte Baake. In den USA etwa seien bis zu 200 Minuten normal. dpa / Foto: dpa