Jeder dritte Beamte ist verletzt worden

Polizei legt Kriminalitätszahlen für 2016 vor – Deutlich weniger Wohnungseinbrüche – Selbst Rettungsdienste werden angegriffen

Mit Blick auf die Kriminalitätsstatistik 2016 macht Alexander Pick, der Präsident des auch für den Landkreis Esslingen zuständigen Polizeipräsidiums Reutlingen, Problembereiche aus: die die Bevölkerung verunsichernden Wohnungseinbrüche, dass der Trend zunehmender Gewalt gegenüber Polizeibeamten anhält und dass „Flüchtlinge in der Kriminalität angekommen sind“. Und doch resümiert Pick: „Die Menschen leben bei uns sicher.“ Schließlich liegt die Zahl der Straftaten pro 100 000 Einwohner deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Und die Aufklärungsquote wurde erhöht, insbesondere bei Einbruchsdelikten.

Je 100 000 Einwohner wurden 4948 Straftaten verübt. Das ist zwar ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (4623), doch die Zahl liegt unter dem Landesdurchschnitt (5599). Und laut Statistik sei Baden-Württemberg das sicherste der 16 Bundesländer, sagt Pick. Wobei auch für das vergangene Jahr relativierend erwähnt werden muss, dass gut zehn Prozent der Fälle Verstöße gegen das Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetz waren. Gerade im Landkreis Esslingen mit dem Flughafen auf den Fildern schlägt dies zu Buche.

Trotz eines deutlichen Rückgangs bei den Wohnungseinbrüchen seien diese Delikte eine große Belastung für die Menschen, sagt Pick, sie „tragen in erheblichem Maß zur Verunsicherung“ bei. Daher stellt ihn auch die derzeitige Situation nicht zufrieden, auch wenn die Aufklärungsquote um rund zehn Punkte auf 18,7 Prozent gestiegen ist: „Die Quote ist trotzdem noch extrem gering“, sagt der Leiter der Kriminalpolizeidirektion, Reinhard Nething. Pick betont allerdings, dass die Ermittlungserfolge auch Ausdruck der verstärkten Bemühungen der Ordnungshüter seien. So wurde die Streifenpräsenz erhöht und hat die eingerichtete Ermittlungsgruppe „Eigentum“ ihren Teil zum positiven Trend beigetragen. Und die Bevölkerung investiert in Sicherheitstechnik – auch wegen der kostenlos angebotenen Beratung der Polizei. „Fast die Hälfte der Einbrüche ist im Versuchsstadium stecken geblieben“, sagt der Polizeipräsident. Zudem sei man unter Nachbarn auf verdächtige Personen sensibilisiert, die Bevölkerung sei wachsamer geworden.

Von den 449 Wohnungseinbrüchen im Landkreis wurden 102 in der Stadt Esslingen verübt, 148 auf den Fildern, 34 in Kirchheim und 27 in Nürtingen. Trotz des Rückgangs markiert die Zahl insgesamt im 20-jährigen Vergleich den vierthöchsten Stand. Die erwischten Einbrecher kamen überwiegend aus Ost- und Südeuropa. „Der heutige Einbrecher reist von der Ferne an“, sagt Pick. Die Täter sind in der Regel bandenmäßig organisiert, diese Banden seien wiederum häufig familiär geprägt. Bei der Betrachtung dieser Reisekriminalität erkennt der Polizeipräsident einen wesentlichen Grund im „Wohlstandsgefälle innerhalb Europas“. Pick lobt auf der anderen Seite die von der Politik auf den Weg gebrachte Strafverschärfung bei dieser Art von Delikten. „Schließlich sind Wohnungseinbrüche auch Verbrechen an der Seele der Menschen“, sagt er.

Besorgniserregend nennt Pick den Anstieg der Zahlen bei Raub und schwerer Körperverletzung. Insbesondere treibt ihn um, dass sich die Gewalt immer häufiger gegen Polizeibeamte richtet – innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich die Zahl solcher Delikte verdoppelt. Jeder dritte Beamte sei in diesem Zeitraum verletzt worden. Pick beobachtet einen „bedenklichen Autoritätsverlust“, der sich im Übrigen auch an Beleidigungen und verbaler Aggressivität festmachen lasse. Diese richteten sich sogar gegen Feuerwehr, Ärzte und Rettungsdienst – und sehr häufig sei „hochgradige Alkoholisierung“ im Spiel.

Die Zahl der Tatverdächtigen ist 2016 um 11,6 Prozent auf 13 123 angestiegen. Der Anstieg ist auf die Gruppe der „Nichtdeutschen“ zurückzuführen, die insgesamt mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen ausmacht. Und in dieser steigt wiederum der Anteil der Flüchtlinge und Asylbewerber. Für das Polizeipräsidium kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Pick verweist auf die hohe Zahl junger Männer darunter, die generell häufiger als andere Bevölkerungsgruppen mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Außerdem komme bei den Flüchtlingen ein von Müßiggang geprägter Alltag hinzu, ebenso Sprachprobleme, Kulturkonflikte, eine ungewisse Zukunft und die ungewohnte Begegnung mit der westlichen Konsumwelt – „ein idealer Nährboden für Kriminalität“ sei dies. Knapp zwei Drittel dieser Delikte sind (Laden-)Diebstähle. Die allermeisten Körperverletzungen dieser Gruppe registriert die Polizei unter den Flüchtlingen selbst – oftmals seien sie den problematischen Verhältnissen in Sammelunterkünften geschuldet. Allerdings: Entgegen weit verbreiteter Gerüchte sind Flüchtlinge nicht überproportional wegen Sexualdelikten auffällig. Der Anteil tatverdächtiger Asylbewerber liegt hier unter einem Prozent.  Ch

 

Für den Landkreis Esslingen bilanziert die Polizei im Jahr 2016 insgesamt 25 936 Straftaten bei einer Einwohnerzahl von 524 127. Das bedeutet gegenüber 2015 einen Anstieg um 8,6 Prozent. Die Aufklärungsquote lag bei 62,0 Prozent (2015: 59,8). Tötungsdelikte gab es zwölf (minus acht), wobei hierunter auch versuchter Mord, versuchter Totschlag sowie fahrlässige Tötung fallen. Alle zwölf Fälle wurden aufgeklärt. Andere Gewaltdelikte nahmen zu: Raub und Erpressung gab es 147 Mal (106). Körperverletzungen wurden 2991 Mal (2448) gezählt, 686 Fälle davon waren schwere Körperverletzungen. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gab es 209 (plus 32).

Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank von 567 auf 449, wobei es in etwa der Hälfte der Fälle beim Versuch blieb. Die Aufklärungsquote stieg in diesem Bereich von 8,1 auf 18,7 Prozent. 380 Autos wurden aufgebrochen (2015: 341). In Büros, Gaststätten oder Geschäfte wurde 716 Mal eingebrochen (2015: 735). Diebstähle gab es 7858 (2015: 7763), davon Ladendiebstähle 1450 (1236). Sachbeschädigungen zählte die Polizei 3288 (plus 577), Fälle von Betrug, Fälschung und erschlichener Leistung 3853 (2015: 4135). 1159 Mal wurde gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen (plus 35). 284 Fälle von Wirtschaftskriminalität (2015: 342), 195 (148) von Computerkriminalität und 83 (145) Fälle von Umweltkriminalität zählte die Polizei im Landkreis Esslingen.

Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte nahmen von 143 auf 174 zu.

Foto: dpa


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