Am Heidengraben bei Erkenbrechtsweiler soll Rundweg entstehen – Besucherzentrum geplant – Baden-Württemberg gibt zehn Millionen Euro für landesweite Konzeption aus


Die Kelten haben den Südwesten Deutschlands gemocht. Zahlreiche Funde belegen, dass das Volk sich mit Vorliebe im heutigen Baden-Württemberg niedergelassen hat. Die größte Siedlung war der sogenannte Heidengraben bei Erkenbrechtsweiler, Hülben und Grabenstetten. Dort sollen noch in diesem Jahr ein Erlebnispfad eröffnet und der Bau eines Besucherzentrums begonnen werden.
Nach einem Beschluss der Landesregierung vom vergangenen Jahr wird das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in den nächsten Jahren insgesamt zehn Millionen Euro in die Keltenkonzeption des Landes investieren. Zunächst liegt der Fokus dabei auf den drei zentralen Keltenstätten: dem Heidengraben, dem Ipf bei Bopfingen und dem Keltenmuseum in Hochdorf/Enz. Dorthin fließen insgesamt drei Millionen Euro.
Stadtähnliche Anlage
Mit einer Gesamtfläche von 1662 Hektar ist der Heidengraben die größte bekannte keltische Befestigungsanlage Deutschlands – ein sogenanntes Oppidum. Besiedelt war die stadtähnliche Anlage zwischen dem ersten und zweiten Jahrhundert vor Christus; Keramik, Glasschmuck, Fibeln aus Eisen und Bronze und wenige Münzen lassen eine Datierung in die Spätlatènezeit zu (bis circa 100 vor Christus). Man fand auch Amphoren als Transportbehälter für Wein, sie weisen auf eine rege Handelsbeziehung zum Mittelmeerraum hin. Es könnte sich sich beim Heidengraben um Riusiava aus dem antiken Atlas des Ptolemaios handeln.
Ihren Namen hat die Gemeinde Grabenstetten sicherlich dem Verteidigungsgraben des Oppidums zu verdanken. Gut sichtbar ist noch der Wall, der um das Oppidum läuft. Die Hochfläche war durch steile Abhänge natürlich geschützt. Von dort oben ließ sich gut beobachten, wer sich der Siedlung näherte: Germanen oder andere Kelten, die in feindlicher Absicht unterwegs waren. Die Bewohner der Anlage haben sich die schmalen und tief eingeschnittenen Täler, die zur Hochfläche führen, zur Verteidigung zunutze gemacht. Dort wurden Tore angelegt, durch die Besucher mussten und wo sie von den Bewohnern empfangen wurden.
Ein Stück Mauer rekonstruiert
Diese Tore sind heute nach dem Alphabet benannt – von Tor A bis Tor H. Aufschluss über die Tore haben Ausgrabungen in der Gemeinde Erkenbrechtsweiler gegeben, ein Stück dieser Mauer wurde rekonstruiert. Warum die Anlage aufgegeben wurde, ist nicht klar. Anbrandende Germanen könnten zum Verlassen des Oppidums geführt haben, aber auch innerstädtische Spannungen, Krankheiten und Seuchen, die sich auf dem kleinen Raum schnell haben ausbreiten können.
Um die historische Stätte angemessen zu bearbeiten haben sich die drei Gemeinden Erkenbrechtsweiler im Landkreis Esslingen sowie Grabenstetten und Hülben (Landkreis Reutlingen) zum Zweckverband Region Heidengraben, zusammengeschlossen. Als eine Art Auftakt zum geplanten „Erlebnisfeld Heidengraben“ soll demnächst der neue, virtuelle Erlebnispfad eröffnen. „Der Weg befindet sich derzeit im Ausbau und wird vermutlich im Lauf des Septembers fertig“, erklärt Roland Deh, der Bürgermeister von Grabenstetten. Ein offizieller Eröffnungstermin stehe noch nicht fest.
Der Baubeginn des großen Besucherzentrums des Erlebnisfelds Heidengraben ist laut Deh für nächstes Jahr geplant. „Die optimistische Variante ist, dass das Besucherzentrum im Jahr 2022 fertig sein könnte“, sagt der Bürgermeister. Offen ist noch der Bau eines Kreisverkehrs, der die Besucherströme leiten soll. Dieser wird dann auf der Gemarkung des Kreises Esslingen liegen.
Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung des Erlebnisfelds Heidengraben mit zwei Millionen Euro. Das Land hat bis zu 1,75 Millionen Euro aus Mitteln der Keltenkonzeption in Aussicht gestellt. Weitere Mittel in gleicher Höhe kommen von den Gemeinden Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben sowie den Landkreisen Reutlingen und Esslingen.
Mit der Keltenkonzeption will das Land einzelne Kelten-Hotspots miteinander vernetzen. Dazu gehören neben dem Heidengraben der Ipf bei Bopfingen, das Keltenmuseum in Hochdorf/Enz, die Heuneburg an der Donau sowie das Landesmuseum Stuttgart, das als Schaufenster der Keltenkultur fungiert. „Das spannende keltische Erbe kann nicht nur an einigen zentralen Fundstätten und Museen studiert werden, sondern prägt flächenübergreifend das ganze Land“, betonte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski kürzlich bei der Präsentation der Keltenkonzeption. Die Hauptaufgabe der Konzeption bestünde darin, dieses reiche Erbe sichtbar zu machen. „Wir wollen eine Geschichte erzählen von einer längst vergangenen Zeit, deren oft geheimnisvolle Spuren bis heute im ganzen Land zu entdecken sind.“
Herzstück Heuneburg
Ein Herzstück des Keltenlandes, die oberhalb der Donau gelegene Heuneburg bei Hundersingen, wird in den nächsten Jahren zu einer „Kelten- und Naturerlebniswelt“ ausgebaut. Die befestigte Kernanlage des frühkeltischen Fürstensitzes aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus ist etwa 300 Meter lang und bis zu 150 Meter breit. Sie ist eine der bekanntesten Fundstellen aus keltischer Zeit in Mitteleuropa. Und der Ort erhebt für sich den Anspruch, die älteste, jemals erwähnte Siedlung im nördlichen Europa zu sein. Der Grieche Herodot schrieb von der sagenhaften Stadt Pyrene am Oberlauf der Donau und erwähnte ihre weißen Tore.
Geländedenkmal Ipf
Die Gemeinde Bopfingen im Ostalbkreis hat ein besonders eindrucksvolles Geländedenkmal aus keltischer Zeit vorzuweisen. Der Ipf gilt als ein frühkeltischer Fürstensitz aus der älteren Eisenzeit. Die vorhandenen Nachbauten keltischer Gebäude sollen in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege ertüchtigt, ein Besucherzentrum sowie digitale Angebote sollen integriert werden. Außerdem wird die Ausstellung im Städtischen Museum neu gestaltet. Dort will sich der Bund an der Finanzierung mit 918 000 Euro beteiligen. Das Land hat 741 000 Euro in Aussicht gestellt, die Stadt Bopfingen und der Ostalbkreis steuern insgesamt den gleichen Betrag bei.Das Land will die Gemeinde Eberdingen für die Modernisierung des Museums in Hochdorf/Enz, dessen Angebotserweiterung sowie eine bessere Vernetzung mit bis zu 500 000 Euro fördern. Auch dafür sind Mittel in gleicher Höhe von der kommunalen Seite eingeplant. Das Museum dokumentiert anhand von Repliken die frühkeltischen Funde aus dem 1968 entdeckten und 1978/1979 untersuchten Hügelgrab eines frühkeltischen Fürsten. bob / Fotos: bob