Fluglärmkommission stimmt für neue Strecke Richtung Süden – Gegner befürchten Verlagerung des Lärms

Nach eineinhalbstündiger Diskussion hat die Fluglärmkommission für den Flughafen Stuttgart Anfang vergangener Woche für einen zunächst einjährigen Probebetrieb auf der neuen Flugroute in Richtung Süden gestimmt. Die 17 Mitglieder kamen unerwartet schnell zur Abstimmung. Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus: Mit sechs Ja-Stimmen, fünf Enthaltungen, fünf Nein-Stimmen votierte die Kommission für die Routenänderung.
Der Probebetrieb könnte nun laut Ostfilderns OB Christof Bolay, zugleich Vorsitzender der Fluglärmkommission, im ersten Quartal 2023 beginnen. In der Sitzung sind auch die Ergebnisse der Simulatorenflüge vorgestellt worden, die Piloten in den vergangenen Wochen durchgeführt haben: „Die neue Route lässt sich mit hoher Präzision fliegen“, betonte Bolay. Vom Flughafen Stuttgart aus könnten Flugzeuge in einem engeren Kurvenradius und mit einem steileren Abflugwinkel starten. Außerdem wird es in den Kommunen rund um den Flughafen Messungen geben, wie sich die Lärmwerte entwickeln. Möglichst schnell werde eine kleine Arbeitsgruppe starten, die darüber abstimme, wann diese Messungen durchgeführt werden. Wichtig ist Bolay, dass die Fluglärmkommission empfehlen wird, die Zahl der Flüge auf der neuen Route auf maximal zwei pro Stunde zu begrenzen. Ein Argument, das die Airlines ins Feld führten, war die Einsparung von Kerosin. „Diese müssen die Fluggesellschaften dokumentieren, damit wir zur Auswertung des Probebetriebs verlässliche Werte haben.“
Kommunen wollen klagen
Die Debatte über die Flugroutenänderung ist damit aber noch nicht vom Tisch. Dass die Lager gespalten sind, zeigt das knappe Ergebnis. In einem offenen Brief hatten Nürtingens OB Johannes Fridrich und seine Bürgermeisterkollegen aus den neu betroffenen Kommunen angekündigt, dass sie im Fall eines positiven Votums zu einer Klage bereit wären. Denkendorfs Bürgermeister Ralf Barth hat diesen Brief mit unterschrieben, ebenso wie seine Kollegen aus Neuhausen, Wolfschlugen und Aichtal. Der Gemeinderat von Aichtal hatte bereits beschlossen, den Klageweg zu gehen.
Inzwischen hat sich auch der Gemeinderat Wolfschlugen mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, gegen die Route zu klagen, sobald es eine entsprechende Rechtsverordnung gibt. In den Bürgerinitiativen ist die Enttäuschung groß. Die Neckartalkommunen dagegen sind erleichtert, dass sie durch die neue Route zumindest etwas vom Fluglärm entlastet werden.
„Ich verstehe nicht, weshalb die Gegner sogar gegen den Probebetrieb sind“, sagt Altbachs Bürgermeister Martin Funk. Dass sie klagen wollen, könne er nicht nachvollziehen. Mit seinem Kollegen Thomas Matrohs aus Deizisau ist er neu in die Fluglärmkommission berufen worden – beide hatten sich immer klar für die Route ausgesprochen. Matrohs kämpfte seit Jahren für einen Sitz in der Kommission. Er hätte sich „Solidarität“ von seinen Kollegen gewünscht. „Bei meinen Bürgerinnen und Bürgern häufen sich die Klagen über Fluglärm“, schilderte Funk. Auch sein Plochinger Kollege Frank Buß berichtet von der „großen Belastung“, die die Raumschaft mit Flug-, Bahn- und Straßenlärm zu tragen habe. Nach einem Jahr bewerte man die neue Route, sagt Funk: „Dazu muss sie aber erst geflogen werden.“
Scharfe Kritik kommt von Bürgermeister Ingo Hacker aus Neuhausen. Die Fildergemeinde wird mit am stärksten vom Lärm der neuen Flugroute betroffen sein. Wie sein Denkendorfer Kollege Ralf Barth kritisierte er die Entscheidung, dass Altbach und Deizisau „im laufenden Verfahren“ einen Sitz in der Kommission erhalten hätten. Barth hält das für „unglücklich“, obwohl er die Betroffenheit seiner Kollegen sieht. Das sieht auch Nürtingens OB Fridrich so. Er bemängelt das „aus der Zeit gefallene Verfahren“, in dem keine Bürgerbeteiligung möglich sei. Fridrich sieht keine Entlastung durch die neue Route. Dagegen ist Thomas Matrohs glücklich über die Entlastung der Menschen im östlichen Bereich des Flughafens: „Wir sind dankbar für jedes Einzelschallereignis, das wegfällt.“
eli / Foto: Horst Rudel