Vor 40 Jahren begann die Geschichte der Reichenbacher Kulturinitiative „Die Halle“

Das Gebäude der ersten Halle stand südwestlich der heutigen Bahnhofsunterführung zwischen den Bahngleisen und der Fils. Drei Jahre nach dem Start mussten die Kulturschaffenden umziehen, da ihr Domizil dem vierspurigen Ausbau der B 10 weichen musste. In den Räumen eines nahe gelegenen ehemaligen Gasthauses in der Kanalstraße ging es 1989 nach Umbau und Renovierung weiter. Bis heute locken hier übers Jahr verteilt Konzerte, Partys und die beiden Kneipentage mittwochs und donnerstags ein generationenübergreifendes Publikum an, das teils lange Anfahrtswege in die Reichenbacher Kult-Institution auf sich nimmt.
Anfang der 2000er-Jahre wurde auf dem benachbarten Otto-Areal zusätzlich die größere Halle „H2O“ übernommen, der Betrieb aber aufwandsbedingt und aus finanziellen Gründen nach zehn Jahren wieder eingestellt. Sehr beliebt war ebenfalls zehn Jahre lang der Freibad-Schwoof, bis er aufgrund einer Lärmbeschwerde zum Bedauern vieler eingestellt werden musste. Seither konzentriert sich alles wieder auf die traditionelle „Halle“, die allein schon dank ihrer übersichtlichen Größe einen ganz eigenen Charme hat und eine gemütliche Club- und Kneipenatmosphäre versprüht.
Dies schätzen Team, Besucher und Künstler gleichermaßen, erfährt man im Gespräch mit dem ehrenamtlich tätigen Vereinsvorsitzenden Sebastian Strauss sowie drei der aktiven Ehrenamtler: Marc Rohrbeck, Matthias Wagner und Mona Rößler. „Das ist für viele hier wie ein zweites Zuhause“, sagt Mona Rößler. Die Künstler schätzen ihrerseits die Nähe zum Publikum, ergänzt Marc Rohrbeck. Je nach Veranstaltung kommen zwischen 50 und 200 Besucher. Nicht nur beim Publikum gibt es Stammgäste, auch die Bands kommen teils in regelmäßigen Abständen wieder. Größere, mit teils prominenter Besetzung an andere Spielstätten der Region ausgelagerte Veranstaltungen werden unter dem Logo „Halle on Tour“ koordiniert.
Die Musikrichtungen bei den Konzerten im Reichenbacher Domizil sind vielfältig, sie reichen von Pop über Blues(rock) und Folk bis hin zu Heavy Metal. Einen großen Part haben die Rock-Bands. „Wir haben hier zum Beispiel Deep Purple-, Kiss- oder AC/DC-Tribute-Bands und genauso jene mit eigenem Programm“, sagt Matthias Wagner. Die Künstler kommen aus der Region ebenso wie aus ganz Deutschland, Europa und sogar aus den USA. Unter ihnen sind Newcomer, aber auch alte Hasen.
„Deichkind waren zum Beispiel hier – auch als sie schon bekannter waren“, berichtet Sebastian Strauss. Sogar der Ex-Gitarrist der Rolling Stones, Mick Taylor, spielte schon in der Halle, genauso Sebastian Krummbiegel von den Prinzen. Anfang März erst waren Fools Garden in Reichenbach.
Kuriose Geschichten kann das Halle-Team erzählen, etwa davon, dass manche ortsfremde Künstler versehentlich in einem anderen Reichenbach landeten – sei es in Reichenbach im Täle oder sogar in einem sächsischen Pendant. „Letzteres fiel zum Glück rechtzeitig auf, sodass die Band nach einer mehrstündigen Fahrt noch pünktlich in der Halle auf der Bühne stand“, erzählt Matthias Wagner. Mit einer Musikerin ging er spontan in Reichenbach einkaufen, sie hatte ihr Bühnenoutfit vergessen. Besondere Macken hätten die auftretenden Künstler keine, um die Verpflegung kümmert sich eine Halle-Mitarbeiterin.
Man müsse immer am Puls der Zeit bleiben, um die Generationen von den Teenies ab 16 Jahren bis hin zu den Rentnern konstant für die Halle zu begeistern, weiß das Team. Das klappe bisher sehr gut, auch wenn es im Lauf der Jahre Veränderungen gebe. War etwa früher die Mittwochs-Kneipe vor allem für die Jüngeren ein Publikumsmagnet, so ist es heute nicht mehr ganz so voll, dafür bei guter Musik und Falafeln umso gemütlicher. Donnerstags ist Zeit für die beliebte Kultrock-Kneipe mit einem Publikum im Alter von etwa Ende 40 bis 70, das teils von Stuttgart und weiter weg vorbeikommt. Und auch fürs Jubiläumsjahr hat sich das Team einiges überlegt. Im Reichenbacher Rathaus gibt es etwa eine Ausstellung mit Bildern aus den vergangenen 40 Jahren.
eis / Foto: Katja Eisenhardt