Leben und leben lassen in der City

Überarbeitete Gestaltungsrichtlinien für Esslinger Innenstadt räumen mehr Spielräume für Handel und Gastronomie ein

Die Esslinger Innenstadt soll sich so attraktiv wie möglich präsentieren. Doch Geschmäcker sind verschieden – die Frage, was ins Stadtbild passt, kann ganz unterschiedlich beantwortet werden. Damit bei Werbung, Außengastronomie und Stadtmöblierung nichts aus dem Ruder läuft und ein angemessenes Flair gewahrt bleibt, haben Gemeinderat und Verwaltung vor Jahren Gestaltungsrichtlinien formuliert. Die regeln, was bei Möblierung, Schirmen und Markisen, aber auch bei der Bepflanzung und Werbung möglich ist. Doch diese Vorgaben waren nie unumstritten. Händler und Gastronomen haben immer wieder moniert, dass die Gestaltungsrichtlinien oft zu streng ausgelegt und dass ihre Möglichkeiten damit zu stark beschnitten würden. Deshalb hat die Stadt die Vorgaben für „private Sondernutzungen auf öffentlicher Fläche“ überarbeitet. Ziel war es, „die Gestaltungsrichtlinien um weitere Möglichkeiten für moderneres und zeitgemäßes Handeln zu erweitern und dennoch das bewährte Grundgerüst aufrechtzuerhalten“.
Wer durch die Esslinger Innenstadt geht, kann den Wandel allenthalben beobachten. Manches, was bei der Formulierung der Gestaltungsrichtlinien 2008 im Fokus stand, hat an Bedeutung verloren, dafür sind andere Bedürfnisse in den Vordergrund gerückt. Um der Gastronomie angesichts der Einbußen der Coronazeit unter die Arme zu greifen, hatte die Stadt die Regeln für die Außenbewirtschaftung zuletzt großzügiger ausgelegt. Weil sich das nach Einschätzung vieler positiv auf die Belebung der Innenstadt ausgewirkt hatte, haben die Grünen in den Etatberatungen den Stein ins Rollen gebracht und gefordert, die Gestaltungsrichtlinien zu überarbeiten, die Spielregeln weniger eng zu fassen und die großzügigere Außenbestuhlung der Coronasommer 2020 und 2021 beizubehalten. Im Rathaus rannten die Grünen offene Türen ein, zumal sich der Oberbürgermeister Matthias Klopfer dafür ausgesprochen hat, durch eine liberalere Haltung zur Belebung der Innenstadt beizutragen. Sein Motto: „Leben und leben lassen. Es kommt auf den Geist an, mit dem man die Richtlinien lebt.“
Die Ratsfraktionen gaben im Gemeinderat grünes Licht für das überarbeitete Regelwerk. Zahlreiche Details wurden neu formuliert, die Spielräume für Handel und Gastronomie wurden erweitert. So gibt es künftig mit Blick auf Größe und Anzahl der Sitzplätze weitere Optionen zur Erweiterung der sogenannten Sondernutzungsflächen – die alte Regelung, dass die Außengastronomie nicht mehr Sitzplätze haben durfte, als im Innenbereich genehmigt sind, entfällt. Die Bestuhlung vor den Geschäften kann individueller gestellt werden, die Außengastronomie kann besser durch Schirme beschattet werden, außerdem wird mehr Bepflanzung möglich.
Stadtrat Jörg Freitag (Grüne) begrüßt die zusätzlichen Möglichkeiten: „Es ist gut, dass die Stadt künftig mehr auf die individuellen Bedürfnisse eingeht. Die überarbeiteten Regelungen könnten Gastronomie und Einzelhandel stärken und dennoch helfen, ein ästhetisches Stadtbild zu wahren.“ Andreas Koch (SPD) findet die neuen Vorgaben „wirklichkeitsnäher, flexibler und kundenfreundlicher“. Dennoch sieht er weiterhin Korrekturbedarf. Als Beispiele nannte er, dass Bänke weiterhin als Sitzplätze in der Gastronomie nicht zulässig seien, dass die Zahl der Heizpilze nicht mehr reglementiert sei und dass die Vorgaben für Werbebeschriftung viel zu detailliert seien. Freie-Wähler-Fraktionschefin Annette Silberhorn-Hemminger sieht die Kommune mit den großzügigeren Regelungen auf dem richtigen Weg: „Der vergangene Sommer hat gezeigt, dass noch viel mehr möglich ist. Trotz Corona hatten wir ein tolles Leben in der Stadt.“ Brigitte Häfele (FDP) freut sich über „Gestaltungsrichtlinien mit echten Gestaltungsmöglichkeiten“. Tim Hauser (CDU) legt Wert auf eine Entbürokratisierung: „Es geht darum, flexibler zu werden und trotzdem geordnet zu bleiben.“ Martin Auerbach (Linke) fordert, sich nicht nur auf die Gestaltung zu konzentrieren, sondern auch über längere Öffnungszeiten für die Gastronomie nachzudenken.

adi / Foto: Ines Rudel


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