Online-Plattform „Parteezy“ ist nicht der Renner – Direkter Austausch bringt oft mehr
Parteezy? Da war doch was . . . Vor gut vier Jahren schlug das „IT-Tool zur Bürgerbeteiligung“ ziemlich hohe Wellen. Im Landkreis Esslingen kauften sich vor allem Gemeinden rund ums Neckarknie die Software ein. Aber auch Großbettlingen wollte seinen Bürgern die Möglichkeit zur Online-Diskussion bieten. Mittlerweile ist es allerdings wieder ziemlich ruhig um Parteezy geworden, einige Kommunen haben die Plattform vorläufig stillgelegt.
„Es dümpelt so dahin“, sagt Uta Berner, Geschäftsführerin der KBB Kommunalberatung, die das Dialog-Tool vertreibt und auf Wunsch auch für die Gemeinden betreut. Die anfängliche Euphorie ist verflogen. Wernau und Reichenbach waren Pilotkommunen, wobei in Wernau mit der Diskussion über mögliche Windkraftanlagen gleich ein ziemlich heißes Thema anstand. Die Stadt bewertete die Resonanz damals sehr positiv; allerdings zeigten sich gerade bei diesem politischen Thema gleich einige Haken. So erwies sich als Hemmschwelle, dass man bei Parteezy keinen Decknamen, sondern nur den echten Namen verwenden darf, der dann bei der Online-Diskussion auch sichtbar wird. „Das schreckt manche Menschen ab“, sagt Bärbel Schottmüller von der Wernauer Stadtverwaltung.
Andererseits hat diese Transparenz bestimmt zum anständigen Umgangston in den Online-Debatten beigetragen. „Die Diskussionskultur war sehr gut“, sagt Berner, deren Firma viele der Umfragen für die Gemeinden moderierte. Nur selten habe sich jemand in der Wortwahl vergriffen, nur ein einziges Mal habe sie einen Beitrag deswegen gelöscht. Das bestätigt Großbettlingens Bürgermeister Martin Fritz: „Zu keiner Zeit war ein Hinweis auf die Netiquette erforderlich.“ Seine Kommune nutzt die Plattform weiterhin für ein bis zwei Umfragen im Jahr.
Tatsächlich scheinen sich Umfragen und Ideensammlungen besonders gut für diese Form der Bürgerbeteiligung zu eignen. So waren die Bürgerinnen und Bürger von Deizisau gefragt, Gestaltungsideen für den Marktplatz und für den neuen Kreisverkehr oder Namensvorschläge für das Quartiershaus einzubringen. Lediglich bei der Frage, in welcher Form der Volkstrauertag künftig begangen werden soll, sei das Echo schwach gewesen, sagt Bürgermeister Thomas Matrohs. Ansonsten stuft er die Beteiligung mit in der Regel zwischen 50 und 100 Beiträgen als „wirklich gut“ ein.
Allerdings werden die Umfragen in Deizisau auch immer parallel übers Mitteilungsblatt ausgeschrieben, wo sie offenbar ebenso wahrgenommen werden. Gerade beim Thema Kreisverkehr seien „deutlich mehr Vorschläge in Papierform eingegangen“, die Bürger hätten „gezeichnet, gebastelt, gemalt – das ließe sich so online gar nicht machen“, so Matrohs.
Auch die anderen Kommunen haben über ihre Webseiten und Gemeindeblätter auf aktuelle Online-Diskussionen hingewiesen, Großbettlingen zudem über Facebook. Letzteres sehe man allerdings keinesfalls als Alternative zu Parteezy, betont Bürgermeister Fritz: Facebook als „Spaßplattform“ diene der Gemeinde lediglich als Informationsmedium, Diskussionen wolle man einen anderen Rahmen geben.
In Plochingen wurde Parteezy zur Vorbereitung auf die Zukunftswerkstatt verwendet und der Landkreis sammelte im Rahmen eines einmaligen Projekts Bürgertipps für Radrouten, Wandertouren und Lieblingsplätze – die eingegangenen Vorschläge kann man noch im Internet abrufen. So viele wie erhofft waren es nicht. Für Reichenbach sagt Bürgermeister Bernhard Richter, die Beteiligung sei „sehr überschaubar“ gewesen. Die Plattform habe nicht „den Zuspruch erhalten, den wir uns erhofft haben“, man lasse sie jetzt ruhen.
Bärbel Schottmüller spricht auch die Qualität der Ergebnisse an, die manchmal davon gemindert wurde, dass die Teilnehmer nicht gut oder sogar falsch informiert waren. Zwar formulierte die Stadt immer eine kurze, sachliche Einführung, aber es sei schwierig, komplexe Themen so kurz „abzuvespern“. Im direkten Gespräch könne man die Dinge differenzierter darstellen und Missverständnisse gleich ausräumen. Beim direkten Austausch entwickle sich zudem oft eine produktive Dynamik, sprich: Es kommen ganz neue Gedankengänge zustande. Das habe sich bei den vier Bürger-Info-Veranstaltungen in Wernau im vergangenen Jahr gezeigt. Zu Stadtentwicklung, Flüchtlingsunterbringung, Sportstätten und städtischen Finanzen hatte die Verwaltung eingeladen. „Wir hatten mit diesen Projektgruppen und dem direkten Austausch super Ergebnisse“, so Schottmüller. Dafür nehme man sich gerne die Zeit. Leute, die zu diesen Terminen kämen, wollten nicht nur Dampf ablassen, sondern „etwas bewegen und konstruktive Lösungen suchen“.
Wo das „kommunale Netzwerk“ derzeit ruht, müssen die Gemeinden auch keine Gebühren bezahlen, versichert Uta Berner. Parteezy könne aber auch dort bei Bedarf wieder aktiviert werden. Mit einer Jahreslizenz könne eine Kommune beliebig viele Umfragen machen. Großbettlingen zum Beispiel stellt ein bis zwei Umfragen pro Jahr online, wofür Kosten von knapp 1200 Euro anfallen. Sie berechnen sich anhand der Einwohnerzahl, erklärt der Bürgermeister. In Deizisau beginnt just in diesen Tagen eine neue Umfrage via Parteezy. „Wir möchten die Bürgerschaft einbinden beim Thema Gemeindejubiläum 2018“, so Thomas Matrohs. aia