Lücken im Hilfenetz ausfüllen

Armut im reichen Landkreis: Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen unterstützt Familien – Kapital erhöhen

Im Jahr 2012 haben das Dekanat Esslingen-Nürtingen und die Caritas Fils-Neckar-Alb die Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen gegründet. Mit dem Ziel, Kindern aus armen Familien im Landkreis mehr Chancen im Leben zu ermöglichen. Seither hat die Stiftung fast 58 000 Euro an Einzelfallhilfen weitergegeben. In diesem Jahr sind schon mehr als 140 Anträge auf Unterstützung gestellt worden. Meist geht es um Geld für Schulmaterialien, für den Sport, für Nachhilfe oder für den Musikunterricht.

Norbert Kindler bearbeitet als Ehrenamtlicher bei der Kinderstiftung die Hilfsanträge, prüft sie und reicht sie weiter. Vier bis fünf Anträge gehen der  Stiftung pro Woche zu. „Die Kinderstiftung springt da ein, wo Kinder mehr brauchen als die staatlichen Leistungen“, sagt er. Es gehe darum, Kindern eine Chance zu geben, sie nicht aus dem Netz fallen zu lassen. Belastungen, die Familien mit Kindern zu stemmen haben, werden nicht immer von staatlichen Zuwendungen aufgefangen. Die Kinderstiftung hilft in Einzelfällen und immer nachrangig zu staatlichen Hilfen. Auch ist die Hilfe auf 300 Euro pro Familie im Jahr gedeckelt.

Eine Familie mit drei Kindern benötigt Unterstützung bei der Beschaffung von Sportkleidern für die Kinder, da diese aus ihren Sachen herausgewachsen sind. Überdies braucht die Tochter, die die
5. Klasse besucht, finanzielle Hilfe für die Schulausstattung. Der Vater ist arbeitslos, die Mutter hat einen Minijob. Häufig sind es auch Alleinerziehende, die Hilfen benötigen. Ein kleiner Junge aus einer solchen Kleinfamilie möchte gerne Karate lernen – die Kinderstiftung ermöglicht das. Ein anderes Mädchen wiederum will Gitarre lernen.  Die Stiftung hilft, den Unterricht zu finanzieren und übernimmt die Leihgebühr für die Gitarre – das alles sind klassische Beispiele für das Tätigkeitsfeld der Stiftung seit ihrer Gründung.

Damit hat die Stiftung im Jahr 2016 sieben Kindern ermöglicht,  ein Instrument zu lernen, 112 Kinder wurden im Bereich Sport unterstützt, bei 27 Kindern wurden Ferienmaßnahmen ermöglicht. 19 Kinder erhielten eine schulische Förderung, 90 Kinder wurden über das Postmichelfest erreicht.

Die meisten Betroffenen kommen aus dem Raum Esslingen. Anlaufstellen sind die sogenannten Orte des Zuhörens oder die Familiensprechstunden. Ehrenamtliche im Bereich Nürtingen, die Orte des Zuhörens betreuen, werden geschult, um vor Ort den Zugang zur Stiftung zu erleichtern.

Die Stiftung unterstützt außerdem das Projekt „Chancenschenker“ bereits im vierten Jahr hintereinander mit 15 000 Euro. „Auch dieses Projekt fördert Kinder und Jugendliche aus armen Familien“, erklärt Lisa Kappes-Sassano, die Regionalleiterin der Caritas Fils-Neckar-Alb. Dabei geht es um die Begleitung der jungen Menschen in Form einer Patenschaft. 32 Ehrenamtliche arbeiten dort mit. Sie verbringen regelmäßig Zeit mit ihren Schützlingen zu ganz unterschiedlichen Zwecken: Es werden Hausaufgaben gemacht, Sprache geübt oder gemeinsame Ausflüge unternommen.

Die meisten Hilfebezieher sind Menschen mit Migrationshintergrund, und ihr Anteil steigt. „Dieses Land braucht dringend einen Armutsbericht“, erklärt Paul Magino, der Dekan des Dekanats Esslingen-Nürtingen, einer der Stiftungsgründer. Für Magino ist die Thematisierung der Armut in einem wohlhabenden Kreis wie Esslingen nicht nur ein grundlegend  christlicher Auftrag, sondern auch politische Pflicht. Nach außen wirke das Land zwar reich, aber die Armut sei breit wahrnehmbar. „Wir sehen in die Familien rein“, sagt Magino. „Wir müssen etwas tun, das nachhaltig hilft.“ Wie Kappes-Sassano sagt, belegen auch Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Januar 2016, dass im Kreis mehr als 6000 Kinder in Armut leben. Das Stiftungskapital ist von 50 000 Euro im Jahr 2012 auf 117 950 Euro angewachsen. Aus Spenden sind 2016 54 500 Euro zusammengekommen. Dass das Einwerben der Gelder nicht einfacher geworden ist, weiß Kuratoriumsmitglied Frank Dierolf, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse. „Langfristig müssen wir das Spendenkapital erhöhen“, sagt er. Dafür müsse die Kinderstiftung bekannter werden.    bob / Foto: bob

 

Info: www.kinderstiftung-esslingen-nuertingen.de


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert