Mehr „Uga-Uga“ auf den Stundenplan

Coaching-Projekt „Gorilla“ macht Kindern und Jugendlichen Sport und gesundes Essen schmackhaft – Inklusiver Ansatz

Über gesunde Ernährung in Schulen und Kindertagesstätten wird in Deutschland in diesen Wochen viel diskutiert. Davon hält Roger Grolimund wenig: Der Schweizer und sein Team vom Programm „Gorilla“ packen lieber die Skateboards aus und legen los. „Mehr Uga-Uga im Leben“ heißt ihr Rezept, das den Jungs und Mädels Lust macht, sich mehr zu bewegen und bewusst zu essen. Vor einigen Tagen machte die bunte Truppe Station in Nürtingen.

Neugierig scharen sich die Jungen und Mädchen der Johannes-Wagner-Schule und der Geschwister-Scholl-Realschule an diesem grauen Herbstmorgen um Tomcat und Phips. Statt Mathe stehen heute Skaten, Breakdance, Frisbee-Freestyle und Footbag auf dem Stundenplan. „Cool“, sagt Nils, der andächtig das Board von Tomcat betrachtet. Zu den Jungs mit Strubbelhaaren und den coolen Hoodies, auf denen fett das Gorilla-Logo prangt, haben die Kids schnell einen Draht. Begeistert stürmen sie los, um ihre Boards aus dem Anhänger zu holen. „Die Begeisterung hätte ich gerne mal im Unterricht“, kommentiert ein Lehrer.

Mitreißen, begeistern, eben mal nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen, sondern authentisch für die Sache einstehen und den Kids auf Augenhöhe begegnen – darauf baut „Gorilla“ auf. Seit dem Jahr 2003 bringt die Schtifti-Foundation von Roger Grolimund und Ernesto Silvani mit der knalligen Mischung aus Funsport und teengerechten Rezepten Schweizer Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren dazu, gesünder zu leben.

Nun wollen die „Gorillas“ auch Deutschland erobern. Den zweitägigen, inklusiven Kurs in Nürtingen nutzen die Schweizer, um das deutsche Workshop-Team zu schulen. Skateboard-Weltmeister Tobias Kupfer, in der Szene bekannt als „Albertross“, und die Stiftung „Zeit für Menschen“ der Samariterstiftung sind dafür Wegbereiter. Matthias Berg, mehrfacher Paralympics-Goldmedaillen-Gewinner und stellvertretender Esslinger Landrat, hat die Schirmherrschaft über den Workshop nur zu gern übernommen. Aus eigener Erfahrung weiß der Contergan-Geschädigte, wie schnell Kinder ausgegrenzt werden, die nicht ins Muster passen. Der Sport, sagt Berg, hat ihm in der Schulzeit manche Tür geöffnet. Dass bei den „Gorillas“ Inklusion ganz selbstverständlich ist, begeistert ihn. Im Nürtinger Schulalltag allerdings findet ein solch selbstverständliches Miteinander bisher nur selten statt. Neben den Impulsen zu alternativen Bewegungsangeboten ist dies wohl das Wichtigste, was die Schulleitungen aus diesen Tagen mitnehmen: Es soll mehr Miteinander geben.

Grolimund zappelt derweil auf seinem Stuhl herum. Zu sagen hat der sympathische Schweizer viel, noch lieber aber möchte er zeigen, wie die „Gorillas“ mit den Kids arbeiten. Das Müsli-Büfett zum Beispiel haben die Jungs und Mädels komplett leer geräumt. Ein Anblick, der den Schweizer begeistert: „Viele Kinder wissen heute gar nicht mehr, was sie da eigentlich essen“, sagt er. Energiedrinks, Cola, Chips, Fastfood stehen täglich auf dem Speiseplan.

Die „Gorillas“ zeigen, dass es anders geht – und außerdem noch lecker dazu. „Wir machen leckere Sandwiches mit den Kids“, sagt Grolimund. Ernährung ist das eine, das zweite, mit dem die „Gorillas“ sich gegen Übergewicht und Ernährungsmangel stemmen, sind Freestyle-Sportarten. „Es kostet nicht viel und lässt sich nahezu überall machen“, argumentiert der Schweizer, während die ersten „Jung-Gorillas“ auf den Longboards vorbeirauschen. Berg hingegen mischt sich unter die Kids, die den kleinen Footbag schnell mit Kicks und Finten im kleinen Feld hin und her jonglieren. Andere trainieren Kunststücke mit der Frisbee-Scheibe oder üben Moves mit Breakdancer Max. Viele begeisterte Gesichter sind an diesem Tag zu sehen. Kleine Erfolgserlebnisse, die Mut machen, nehmen die Jungen und Mädchen mit. Wie nachhaltig der Besuch der „Gorillas“ gewirkt hat, wird sich allerdings zeigen müssen. Lehrern und Schulleitung gibt das Programm Material für den Schulalltag an die Hand. Dem „Ober-Gorilla“ wäre es am liebsten, wenn Regeln gelockert würden: „Es wäre doch toll, wenn der Hausmeister am Samstag mal die Turnhalle aufmacht, damit die Kids rein können. Oder wenn man sich mal einen Breakdancer in den Sportunterricht holt.“ Im kommenden Jahr wollen die „Gorillas“ in Deutschland durchst==arten. Eine Tour durch fünf Städte ist bereits in Planung. In Nürtingen wollten die Kids nur eines wissen: „Kommt ihr nächstes Jahr wieder?“       mo / Fotos: mo

 

Info: www.deingorilla.de


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