Der erste Oberleitungsmast des Projekts Stuttgart 21 auf den Fildern wurde vor dem Tunnel in Denkendorf aufgestellt

Für die einen ist es nur ein Stück Metall, das am Mittwoch der vergangenen Woche auf der S-21-Baustelle vor dem Tunnel in Denkendorf aufgestellt wurde. Für die Mitarbeiter und Verantwortlichen von Stuttgart 21 ist es ein wichtiger Schritt auf der Wegstrecke des umstrittenen milliardenschweren Bahnprojekts. Der Oberleitungsmast, der nun aufgestellt worden ist, ist der erste seiner Art auf dem Streckenabschnitt zwischen Wendlingen und Stuttgart. „Heute ist einer dieser Tage, auf die alle, die an einem Großprojekt arbeiten, hinfiebern. Ein neuer Abschnitt beginnt, es geht weiter unter Volldampf in Richtung Inbetriebnahme“, sagte Michael Pradel, der Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart–Ulm GmbH.
Der Rohbau der neuen Eisenbahnstrecke ist nun auch in diesem Bereich abgeschlossen. Das Haus stehe, jetzt würden die Möbel kommen, so beschreibt Pradel die nächste Etappe. Nun werden die übrigen Masten aufgestellt – das sind ganze 400 Stück in dem Bereich zwischen dem Flughafen und Wendlingen. Für S 21 werden insgesamt rund 1200 Oberleitungsmasten errichtet.
Im September beginne dann der Bau der festen Fahrbahn auf den Fildern, und Ende dieses Jahres würden dort die ersten Zugschienen verlegt, sagt Ralf Hickethier, der Geschäftsführer der Firma SPL Powerlines Germany GmbH, die für den Bau der Masten verantwortlich ist. Voraussichtlich ab Ende 2022 wird die Oberleitung an den Masten auf den Fildern montiert.
Die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm ist weiter fortgeschritten. Diese soll laut den Plänen der Bahn Ende 2022 bereits in Betrieb gehen. Die ICE werden dort künftig mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometern je Stunde fahren. Die Fertigstellung des Tiefbahnhofs in Stuttgart und der Drehscheibe auf den Fildern peilt die Bahn für 2025 an – wenn alles gut läuft. Die Anbindung der Gäubahn wird aber auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert sein.
Hickethier ist ein wenig stolz darauf, dass seine Firma diesen Auftrag an Land ziehen konnte. Der Mast sei viel mehr als nur ein Stück Stahl. Er sei ein Baustein in der Strategie der klimaneutralen Schiene, sagt der Geschäftsführer. Die Bundesregierung plant, in den kommenden fünf Jahren 70 Prozent der Strecken im Eisenbahnnetz mit elektrischen Oberleitungen auszurüsten. Mit derartiger Technik können die Züge schneller beschleunigen und sind zügiger unterwegs. Daher können auf elektrifizierten Strecken auch mehr Bahnen fahren.
Corona hat auf der Filder-Baustelle bislang offenbar keine Schwierigkeiten bereitet. Es seien zwar einzelne Infektionen vorgekommen, berichtet Hickethier, aber insgesamt habe alles gut geklappt. Man habe viel getestet und hoffe nun, durch die Betriebsärzte das Impfen zu beschleunigen.
Als ein Kran den grünen Masten am Denkendorfer Tunnel aufrichtet, fliegt ein Flugzeug über die Baustelle. Ein Symbol, das Michael Pradels Aussage unterstreicht: Auf den Fildern entstehe mit dem Zug, der S-Bahn, der Stadtbahn, dem Flughafen und der Autobahn eine neue Verkehrsdrehscheibe, von der die Menschen hier profitieren werden. Nur das Schiff fehle noch. „Wenn die Schnellstrecke zwischen Stuttgart und Ulm fertig ist, ist das Auto keine Konkurrenz mehr für den Zug“, sagt Pradel.
Doch nicht nur bei dieser Strecke würde sich die Fahrt mit der Bahn lohnen. Für die Menschen würden sich neue Möglichkeiten im Fern- und Nahverkehr auftun, sagt der Bauingenieur. Bei Stuttgart 21 setzt die Bahn auf die neue Signaltechnik ETCS. Mit dieser Technik spare man sich nicht nur die Signalanlagen, sondern würde auch die Leistung steigern. Es sei ein Meilenstein für den geplanten Deutschland-Takt. Dieser sieht vor, dass bis 2030 die Züge zwischen den größten Städten im Halbstundentakt fahren. ap/ch / Foto: Roberto Bulgrin