Die Parkour-Community Nürtingen verbindet über den Sport Teens verschiedenster Herkunft – Projekt erfährt breite Unterstützung
Sie springen katzengleich über Hindernisse und schlagen Salti aus dem Stand: Die Jungs und Mädels von der Parkour-Community Nürtingen (PCN) sind echte Bewegungskünstler. Doch nicht allein der Sport verbindet die Teens: Sie lernen dabei auch gegenseitigen Respekt, Hilfsbereitschaft und soziales Miteinander. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Trainer Volkan Koçkoç.
Samstagnachmittag in der Braike-Turnhalle: Die Jungs haben das Matratzenlager leer geräumt, Kästen und Sprungpferde bereitgestellt. Koçkoç gibt noch ein paar kurze Infos, was an diesem Tag auf dem Trainingsplan steht, dann geht es los. Allerdings nicht im schnellen Run über die Hindernisse, sondern in der Runde. Denn: Ohne Warm up, Dehnen und Lockern geht es auch bei Parkour und Freerunning nicht. Die Verletzungsgefahr wäre bei den akrobatischen Sprüngen und Twists ansonsten viel zu groß.
Doch dann geht es rauf auf die Matten, mit einem weiten Satz über den Kasten und weiter zum nächsten Hindernis. Temporeich ist der Sport, der in Frankreich seine Wurzeln hat. Begründer David Belle nutzte sein urbanes Umfeld als natürliches Trainingsgebiet – immer bedacht, seine eigenen Grenzen, aber auch die baulichen möglichst effizient zu überwinden. Tricksprünge passen demnach nicht in die Philosophie der Parkour-Läufer – im Französischen Traceure genannt – sie gehören zum Freerunning.
Bei der Parkour-Community Nürtingen verschwimmen die Grenzen zwischen den beiden Genres zunehmend. Klar, die Jungs wollen die coolen Moves und Sprünge lernen. So wie der 14-jährige Lütvi, der gerade am Auerbach trainiert.
Haltungsnoten, Wettbewerbe – das gibt es weder bei Parkour noch beim Freerunning. Das faire und respektvolle Miteinander ist es, das Safak Koçkoç begeistert. Der Nürtinger mit türkischen Wurzeln hat seinen beiden Söhnen Volkan und Tarkan dabei geholfen, die PCN aufzubauen und fungiert nun zusammen mit Ögun Akçay als Manager und Betreuer der Truppe. Immer wieder begeistert er sich dafür, dass in der Nürtinger Parkour-Gruppe weder der schulische Hintergrund, noch Nationalitäten oder Herkunft eine Rolle spielen. Auch Stress gebe es nicht, alle begegneten sich mit Respekt und Höflichkeit. Das laufe im Übrigen nicht nur bei PCN so, auch bei den Treffen in Ulm oder Stuttgart sei dieser Geist spürbar: „Dass die Kids in ihren Grüppchen bleiben, gibt’s da nicht: Das mischt sich ganz schnell durch und alle gehen achtsam und wertschätzend miteinander um“, erzählt er. Auch das ein Sprung kritisiert wird, hat Safak Koçkoç noch nicht erlebt. „Es geht hier nicht um Perfektion“, sagt er.
Mit seinen Söhnen Volkan und Tarkan fing vor fünf Jahren alles an. Zusammen mit ein paar Kumpels fingen die zwei an zu trainieren, wie man über Mauern setzt oder an Wänden hochspringt – immer mit dem Internet als Lehrmeister. Mit einem integrativen Projekt für Jugendliche nahm das Hobby der zwei schnell größere Dimensionen an. Und sie machten von sich reden. Inzwischen unterstützt nicht nur die Bruderhaus Diakonie die Community. Die Kinder-Kulturwerkstatt half dem Parkour-Team beispielsweise beim Bau der Hindernisse. Auch der Landessportbund wurde auf das integrative Projekt aufmerksam und förderte es. Die Stadt stellte – in Nürtingen eigentlich sehr rare – Hallenzeiten zur Verfügung.
Inzwischen sind es bis zu 60 Jungs und Mädchen, die bei der PCN trainieren. Seit Anfang September ist die Gruppe an die Turngemeinde Nürtingen angegliedert. Unter anderem bekam die PCN damit weitere Hallenzeiten: Mittwochs wird von 18 bis 22 Uhr in der Ersberghalle trainiert. Und in den Ferien treffen sich die Freerunner und Parkour-Fans zum Outdoor-Training in der Nürtinger Innenstadt. mo / Fotos: mo
Info: Näheres zur PCN unter facebook.com/ParkourCommunityNuertingenpcn oder über die TG Nürtingen. Trainingszeiten sind mittwochs 18 bis 22 Uhr in der Ersberghalle Nürtingen, samstags 13 bis 17 Uhr in der Braike-Halle.