Neue Klinik wie aus dem Baukasten

Auf Gelände des einstigen Patientengartens entsteht am Esslinger Krankenhaus für 26 Millionen Euro ein neues Gebäude

Das Klinikum Esslingen stellt sich der größten baulichen Herausforderung seiner 160-jährigen Geschichte. Mehr als 270 Millionen Euro sollen in den kommenden eineinhalb Jahrzehnten investiert werden, um die Voraussetzungen für einen Klinikbetrieb der Zukunft zu schaffen. In mehreren Bauabschnitten sind der Neubau aller wesentlichen Klinikfunktionen und eine Sanierung der übrigen Gebäude geplant. Damit bestehende Bauten ersetzt oder modernisiert werden können, muss zunächst neuer Platz geschaffen werden, denn der Klinikbetrieb wird in vollem Umfang weitergeführt.
Der Clou am ersten Baustein des Masterplans: Das vierstöckige Gebäude, das Platz für rund 150 Patientenbetten bieten wird, entsteht im Baukastensystem. Mehr als 140 Module fügen sich zu einem Gebäude zusammen, das sich wesentlich rascher realisieren lässt als ein konventionell errichteter Klinikbau, aber dennoch alle technischen und energetischen Anforderungen erfüllt. Die Arbeiten gehen zügig voran – Mitte Juni soll der Neubau vorgestellt werden. Und das ist erst der Anfang.
Projektstart war im Mai 2022. Seither geht es Schlag auf Schlag: Während noch der Baugrund in Esslingen vorbereitet wurde, konnte bereits die Fertigung der mehr als 140 Gebäudemodule in einem Werk des Generalunternehmers Kleusberg bei Leipzig anlaufen. Mit Schwerlasttransportern wurden die fertigen Bauteile dann nach Esslingen gebracht und an Ort und Stelle wie aus einem riesengroßen Baukasten per Kran auf- und nebeneinander gestapelt. Fest miteinander verbunden und aufwendig wärmegedämmt, ergeben sie einen Baukörper, der sich später rein äußerlich von keinem anderen modernen Klinikbau unterscheidet.
Was Laien zum Staunen bringt, ist für den Projektleiter Gabriel Rudolph fast schon Routine. Er schätzt die Modulbauweise vor allem wegen der immensen Zeitersparnis – je nach Projekt rechnet er mit Bauzeiten, die um 30 bis 70 Prozent kürzer ausfallen. Aktuell sind durchschnittlich 50 bis 60 Handwerker auf den vier Etagen zugange.
Bislang der einzige Wermutstropfen: Das Klinikum ist mit diesem Projekt ausgerechnet in eine Phase steigender Baupreise geraten. Die zunächst anvisierten 19 Millionen Euro werden sich nicht halten lassen – aktuell bewegt man sich eher im Bereich von 26 Millionen Euro.
Doch das Geld ist nach Einschätzung von Klinikum-Geschäftsführer Matthias Ziegler gut angelegt: „Mit dem Modulbau bringen wir die große Kugel unserer Masterplanung für die Klinikentwicklung ins Rollen.“ Von einem Provisorium könne nicht die Rede sein: „Das neue Gebäude ist auf mindestens 17 Jahre angelegt – vermutlich werden wir es länger brauchen.“ Denn die Kliniklandschaft und die Anforderungen an ein Klinikum wie das in Esslingen haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten rasant verändert – und werden dies auch künftig. Künftige Entwicklungen werden bei der Planung daher so weit wie möglich mitgedacht oder zumindest offengehalten. Gesetzt sind hohe Funktionalität und Energieeffizienz: Haus 0 soll 45 Prozent weniger Energie verbrauchen als vergleichbare Gebäude und so mehr als 18 Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Platz finden unter anderem die Geriatrische Station und die Neurologie mit Schlaganfalleinheit – über Verbindungsgänge werden die angrenzenden Gebäude angeschlossen.
Die Arbeitsbereiche sind volldigital ausgestattet, die Patienten werden in Zweibettzimmern mit Nasszellen untergebracht – ein deutlicher Fortschritt gegenüber den älteren Gebäuden, die nach der Fertigstellung des Modulgebäudes stillgelegt werden können. Behindertengerechte Zimmer sind ebenso vorgesehen wie Zimmer, die mit Schleuse neuesten Hygienestandards entsprechen. Wenn alles fertig ist, wartet aufs Klinikpersonal jedoch die größte Herausforderung: Dann wird Station für Station von ihrem alten ins neue Domizil umziehen, in wenigen Stunden soll alles über die Bühne gehen. Und dann warten auch schon die nächsten Herausforderungen, denn die Erneuerung der teils mehr als 50 Jahre alten Bausubstanz bedeutet einen Kraftakt.

adi / Foto: Roberto Bulgrin


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