Bürgerentscheid im Herbst

Die meisten Plochinger Gemeinderäte befürworten Hallenbad-Projekt – Kostenermittlung für verschiedene Varianten

Zum Plochinger Hallenbad wird es einen Bürgerentscheid geben. Erwartungsgemäß hat der Gemeinderat am Dienstag vergangener Woche mit breiter Mehrheit für den gemeinsamen Antrag der drei Fraktionen OGL, SPD und CDU gestimmt. Lediglich der Einzelstadtrat Klaus Hink war dagegen, und Harald Schmidt (ULP) enthielt sich.
Damit stimmten just die beiden Gemeinderäte nicht zu, die 2019 versucht hatten, mittels eines Bürgerbegehrens einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Was der Gemeinderat seinerzeit ablehnte, weil er – rechtsanwaltlich bestätigt – die Voraussetzungen als nicht erfüllt ansah. Damals habe die Stadt 25 000 Euro ausgegeben, um einen Schwachpunkt im Bürgerbegehren der ULP zu finden, und habe dieser „eine Falle gestellt“, sagte Hink. Er beantrage nun, den Bürgerentscheid erst nach einem städtebaulichen Wettbewerb für den Burgplatz anzusetzen. Genau das war allerdings ohnehin die bisherige Beschlusslage des Gemeinderats.
Harald Schmidt beantragte, zunächst ein Konzept zu erstellen und einen Bürgerausschuss zu gründen. Er bemängelte, dass auch die Generalsanierung des alten Stadtbades wieder eine Option sei: „Ich dachte, das sei längst vom Tisch“, sagte er mit Hinweis auf die Asbestbelastung. Zudem sei unklar, um welche Art von Bad es sich handle, „ob die Bürgerinnen und Bürger da mit rein dürfen“.
CDU, SPD und OGL waren sich aber einig, dass es jetzt an der Zeit sei, das Thema Hallenbad vom städtebaulichen Wettbewerb abzukoppeln. Denn dieser hat bislang nicht stattgefunden, was in erster Linie mit Verzögerungen beim Verkehrskonzept Move begründet wird. Man könne aber trotzdem die Kosten für ein Schwimmbad ermitteln, „vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind formuliert“, sagte Reiner Nußbaum (CDU). Darauf ziele die Voruntersuchung ab. Die Bürgerinnen und Bürger müssten eingebunden und auch in die Verantwortung genommen werden. Joachim Hahn (SPD) konkretisierte das: Die Stadt müsse das Geld für ein Bad selbst aufbringen, als Einnahmequellen kämen in erster Linie Steuern und Gebühren infrage. Das Land propagiere zwar, dass jedes Kind schwimmen lernen solle, stelle aber kein Geld für Bäder zur Verfügung.
Mit dem Ja zu dem fraktionsübergreifenden Antrag ist nun der Grundsatzbeschluss für einen Bürgerentscheid gefasst. Die konkrete Frage an die Bürger wird der Gemeinderat festlegen, wenn die gewünschten Daten vorliegen. Dazu gehören Investitionskosten und Betriebskosten verschiedener Schwimmbad-Modelle und auch die Generalsanierung des Stadtbades. Ferner sollen die Kosten für das Schul- und Vereinsschwimmen in anderen Bädern gegengerechnet werden, ebenso soll die finanzielle Belastung pro Einwohner genannt werden.
Für die Untersuchung sind 13 000 Euro angesetzt. Vornehmen werde sie ein externes Büro, neutral und mit offenem Ausgang, betonte Plochingens Bürgermeister Frank Buß – wobei das ohnehin gesetzlich so vorgeschrieben ist. Der Bürgerentscheid selbst soll dann im Herbst über die Bühne gehen; der Termin steht noch nicht fest. Dafür sind weitere 30 000 Euro veranschlagt. Beide Beträge werden im Nachtragshaushalt eingestellt.

aia / Foto: Karin Ait Atmane


Plochingen muss um Intercitys bangen

Der Start von S 21 bringt viele Änderungen für Bahnfahrer mit sich – Esslingen verliert Direktzug an den Bodensee

Die Woche beginnt gut für Bahnreisende aus dem Kreis Esslingen: Stets montags um 6.13 Uhr fährt in Plochingen der ICE 1561 mit Fahrziel München vom Gleis ab. Wer ihn verpasst und kein Freund von Umstiegen ist, hat allerdings Pech: Die nächste Gelegenheit, nonstop vom Neckarknie an die Isar zu gelangen, gibt es erst wieder exakt eine Woche später.
Der Fernverkehr fristet mittlerweile ein Schattendasein in Plochingen, obwohl der Bahnhof zur zweithöchsten Kategorie gehört und damit per bahneigener Definition eigentlich ein „wichtiger Umsteigepunkt zum Fernverkehr“ ist. Seine einstmalige Bedeutung für den überregionalen Verkehr habe der Halt aber eingebüßt, meint Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Das liege vor allem daran, dass die Bahnsteighöhe an den Fernbahngleisen nie an heutige Anforderungen angepasst worden sei. Tatsächlich gibt es neben dem montäglichen ICE nach München nur noch zwei weitere, fast tägliche Intercity-Verbindungen: früh morgens über Köln nach Berlin, nachmittags ins Allgäu, nach Oberstdorf. Doch mit der Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs, voraussichtlich zum Fahrplanwechsel im Dezember 2025, muss der Verkehrsknoten auch um diese wenigen verbliebenen Fernzüge bangen. Der Bahnverkehr rund um die Landeshauptstadt wird völlig neu organisiert.
Das Verkehrsministerium stellte bereits im vergangenen Oktober seine Pläne für den Regional- und Nahverkehr vor. Das Neckartal gehört zu den Profiteuren: Die Takte der Regionalzüge von Esslingen und Plochingen in Richtung Ulm, Tübingen und Stuttgart werden dichter. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Die für Fahrradfahrer und andere Ausflügler attraktive, weil umsteigefreie Verbindung an den Bodensee geht verloren. Die Züge sollen künftig vom Stuttgarter Hauptbahnhof über die neue Trasse nach Ulm und weiter nach Friedrichshafen geleitet werden.
Während der Nahverkehr vom Land bei den Verkehrsunternehmen bestellt wird, betreibt die Deutsche Bahn ihren Fernverkehr eigenwirtschaftlich. „Das Land kann deshalb leider keine Aussage zum zukünftigen Fernverkehr auf der Filstalbahn treffen“, so der Sprecher des Verkehrsministeriums in Stuttgart, Edgar Neumann. Auch die Bahn selbst lässt sich nicht in die Karten schauen: „Wir sind mit den Fahrplänen noch nicht so weit“, teilt eine Sprecherin des Konzerns mit.
VCD-Chef Lieb, der auch Vorsitzender des Fahrgastbeirats Baden-Württemberg ist, rechnet damit, dass der ganz überwiegende Anteil der Fernverkehrszüge künftig über die Filder – nach dessen Fertigstellung mit Halt am Flughafenbahnhof – und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm fährt. Ob einzelne Züge, etwa Intercitys, auf der alten Strecke verbleiben, hängt aus seiner Sicht vorrangig an betrieblichen Gegebenheiten und der Auslastung der Neubaustrecke. Drohen die langsameren Intercitys dort die schnelleren ICEs auszubremsen, sei es wohl denkbar, dass sie vereinzelt weiterhin über die Filstalbahn fahren. Ohnehin als Wackelkandidat gilt der Intercity „Loreley“, der seit 2009 Tübingen mit Berlin verbindet und Plochingen quasi als Halt am Wegesrand mitnimmt. Der Zug wurde seinerzeit verlängert, weil am Stuttgarter Hauptbahnhof infolge der Bauarbeiten für S 21 die Abstellkapazitäten erschöpft waren. Während der Coronapandemie war der Zug zeitweise aus dem Fahrplan gestrichen worden, mittlerweile fährt er wieder an einigen Verkehrstagen.
Lieb sieht für den Fernverkehr auf der Trasse aber unabhängig von den Plänen der Bahn Chancen. „Die Strecke hat Potenzial“, sagt der Verkehrsexperte. Er glaubt, dass private Anbieter wie Flixtrain die Strecke samt ihrer Zustiegsbahnhöfe für neue Angebote entdecken werden. Ein Hoffnungsschimmer sei in diesem Zusammenhang etwa der von den Österreichischen Bundesbahnen betriebene Nachtzug nach Venedig, Zagreb und Budapest über Wien – er hält bereits heute in Göppingen. Lieb rechnet damit, dass die lokbespannten Railjetzüge auch tagsüber auf der Filstalbahn verbleiben, weil sie für die Neubaustrecke mit ihren hohen technischen Anforderungen nicht prädestiniert seien.

Das ändert sich mit Stuttgart 21 für den Kreis Esslingen im Regionalverkehr

Karlsruhe und Ulm: Die Regionalexpresslinie (RE) 5 verbindet künftig Karlsruhe und Ulm, die Züge verkehren über die Filstalbahn mit Halten in Plochingen und Esslingen. Zwischen Stuttgart und Ulm verkehrt zusätzlich der Metropolexpress (MEX) 16. Hier müssen sich Fahrgäste an eine neue Streckenführung gewöhnen. Von Esslingen aus fährt der Zug zunächst zum Stuttgarter Hauptbahnhof, dann weiter nach Bad Cannstatt.
Aalen und Tübingen: Der MEX 13 verbindet künftig Aalen und Tübingen im Halbstundentakt. Vorgesehene Haltepunkte im Landkreis Esslingen sind Esslingen, Plochingen, Wendlingen, Oberboihingen und Nürtingen.
Bodensee: Die Direktverbindung von Esslingen/Plochingen über Ulm nach Friedrichshafen/Lindau soll entfallen. Die Züge werden über die Filder und die Neubaustrecke nach Ulm geführt (nicht mehr durchs Neckartal). 

sto / Foto: Roberto Bulgrin


Abgestimmt!

Zur Finanzierung des Gesundheitswesens gibt es einen neuen Vorschlag: Kassenpatienten sollen jährlich bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung zahlen. Ist das sinnvoll?

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„Ein extremer Ausreißer“

In Esslingen orientiert sich die Fortschreibung des Mietspiegels bis 2024 erstmals nicht an der Inflation

Der Mietspiegel ist ein Instrument, das Streit zwischen den Mietparteien verhindern hilft, denn er liefert handfeste Fakten zur ortsüblichen Vergleichsmiete. In Esslingen sah es kurz so aus, als könnte das Werkzeug nun selbst zum Zankapfel werden. Es geht um den bestehenden Mietspiegel 2022, der um zwei Jahre fortgeschrieben werden muss. Das ist ein übliches Vorgehen. Der Mietspiegel, den es in Esslingen seit 1975 gibt und der seit 2002 nach wissenschaftlichen Kriterien als qualifizierter Mietspiegel vorliegt, wird mittels einer aufwendigen Umfrage alle vier Jahre ermittelt.
Zur Halbzeit dürfen die Werte dann auf einfachere Art und Weise entweder per Stichprobe erhoben werden oder sie orientieren sich am Verbraucherpreisindex und damit an der Inflation. Doch dieses Mal konnte sich die von der städtischen Stabstelle Wohnen koordinierte AG Mietspiegel nicht auf das weitere Vorgehen einigen. In dem Arbeitskreis sitzen unter anderem Wohnungsmarktexperten von Mieterbund, Haus und Grund Esslingen, der Baugenossenschaft Esslingen und Esslinger Wohnungsbau. Die Stadt hatte vorgeschlagen, den Mietspiegel zum ersten Mal nicht wie seit vielen Jahren üblich per Index fortzuschreiben, sondern die Mietpreisentwicklung erneut abzufragen, allerdings mit einem abgespecktem Fragebogen und mit kleinerem Datensatz. Die Stadt sieht das in der aktuellen Situation als „einzig gangbaren Weg“, um den Wohnungsmarkt realistisch abzubilden. Das unterstützt auch die Mieterseite in der AG Mietspiegel. Dagegen hatten die Vermietervertreter für diesen Fall angekündigt, ihre Zustimmung zum Mietspiegel zu verweigern.
Für beide Seiten geht es um viel. Der Verbraucherpreisindex ist derzeit vor allem von den extrem hohen Energie- und Lebensmittelpreisen als Folge des Ukrainekrieges geprägt. Würde man den Index für die Mietspiegel-Fortschreibung heranziehen, könnten die Basis-Netto-Kaltmieten deshalb um satte 15,8 Prozent steigen, wie die Stadt vorgerechnet hat.
So weit wird es nicht kommen. Der Esslinger Sozialausschuss hat sich Anfang Februar mehrheitlich für die von der Verwaltung vorgeschlagene Fortschreibungsvariante per Stichprobe ausgesprochen. Spätestens im Dezember 2023 soll es Ergebnisse geben, dann stimmt der Gemeinderat endgültig ab. Ein solcher Beschluss zum Mietspiegel ist neu und trägt einer Gesetzesänderung Rechnung. Seit 2021 gehört ein Mietspiegel zur Pflichtaufgabe für alle Städte über 50 000 Einwohner. Zugleich sind Mieter und Vermieter nun auskunftspflichtig. Auf die Empfehlung der AG Mietspiegel will man in Esslingen aber auch künftig nicht verzichten.
„Es ist keine Abstimmung für oder gegen Eigentümer, sondern eine Wahl für die derzeit passende Methode“, betonte Sozialbürgermeister Yalcin Bayraktar. Das sahen die Vertreter der Fraktionen überwiegend genauso. „Es ist das jetzt einzig richtige Instrument“, so Joachim Schmid von der SPD. „Wir haben einen extremen Ausreißer, den wir nicht heranziehen können“, sagte Annette Silberhorn-Hemminger für die Freien Wähler. Aglaia Handler von der CDU sprach von einer „Sondersituation“. Zustimmung gab es auch von Grünen und Linke. „Angesichts der Haushaltssituation haben wir bei den Kosten echt geschluckt“, monierte Brigitte Häfele. Sie stimmte wie ihr FDP-Kollege Sven Kobbelt dagegen. Die FDP geht davon aus, dass der Peak überschritten sei und sich eine Überzeichnung der Werte beim nächsten Mietspiegel ausgleichen könnte. Die Stadt rechnet mit 10 000 Euro Mehrkosten für die Stichprobe, die aus dem Budget der Stabsstelle getragen werden. Mit Erstellung und Fortschreibung des Mietspiegels ist das Hamburger ALP Institut für Wohnen und Stadtentwicklung beauftragt.

pep / Foto: Roberto Bulgrin


Lösung für Lebensmittelmarkt

Der Ostfilderner Gemeinderat stimmt den Plänen für Kemnat zu und bringt das Bauprojekt auf den Weg

Gute Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte des Stadtteils Kemnat zu sichern, ist für Ostfildern eine der großen Zukunftsaufgaben. Die Pläne, Platz für einen großen Nahversorger an der Heumadener Straße zu schaffen, ließen sich zunächst nicht realisieren, weil ein Grundstückseigentümer nicht verkaufen will. Nun hat die Stadt dennoch eine Lösung gefunden, den Markt zu bauen. Zugleich soll die Aufenthaltsqualität an der Ortsdurchfahrt verbessert werden.
Wegen des vielen Verkehrs auf der Heumadener Straße sind die Bedingungen für die Geschäftsleute wie auch für ihre Kundschaft nicht optimal. Es häufen sich die Klagen. Im historischen Ortskern rund um das Rathaus und die Bartholomäuskirche klaffen Baulücken. Kleinode wie der Hirschbrunnen kommen an der Straße nur bedingt zur Geltung. Das soll sich nun ändern. Die Menschen, die in Kemnat leben, hoffen seit Langem auf eine städtebauliche Neuordnung. Das hat eine Bürgerbeteiligung deutlich gemacht.
Bereits seit 2019 wird über die Pläne für die Neugestaltung der Ortsmitte diskutiert. „Die Lebens- und Aufenthaltsqualität zu verbessern“ ist für Reinhardt Kampmann, den Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Ostfildern, daher die zentrale Aufgabe. Dazu gehört für ihn zwingend, für einen Lebensmittelmarkt im Ortskern „bessere Perspektiven“ zu schaffen. Nur so lasse sich die Nahversorgung dauerhaft sichern. Außerdem ist der Wohnraum knapp.
In die Pläne für die Neugestaltung der Kemnater Ortsmitte sind Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger eingeflossen. Zurzeit liegt die Grasfläche in der Heumadener Straße 3 bis 7 brach. Dort sind ein Lebensmittelmarkt mit Tiefgarage, eine ambulant betreute Wohngemeinschaft mit zwölf Plätzen und etwa 20 weitere Wohneinheiten geplant. Die attraktive Geschäftsfläche soll dem Netto-Markt deutlich bessere Möglichkeiten bieten. Die Lebensmittelkette hat am bisherigen Standort in der Hauptstraße 5 zu wenig Platz. Außerdem ist die Lage dort nicht optimal.
Um das Genehmigungsverfahren nun zügig voranzubringen, stellten die Stadträte in ihrer Sitzung Anfang Februar die Weichen für den Bebauungsplan „Heumadener Straße West – Ortsmitte“. „Darauf hat ganz Kemnat sehnsüchtig gewartet“, brachte Werner Schmidt (SPD) die allgemeine Erleichterung der Kommunalpolitiker auf den Punkt. Im Mai 2019 habe der Gemeinderat den Beschluss gefasst, doch erst jetzt zeichne sich die Lösung ab. Seither habe die Öffentlichkeit „keine Fortschritte bei der Umsetzung gesehen“. Durch die Aufteilung des Plangebiets in drei Bereiche könne man nun „unabhängig und rasch eine Bebauung möglich machen“. Schmidt sieht bei dem städtebaulichen Vorhaben die Chance für „ein zukunftsweisendes Quartier“. Der Kommunalpolitiker hofft, „dass der Investor bei der Stange bleibt“. Er wünscht sich, „dass der endgültige Beschluss nun im April gefasst werden kann“.
„Endlich zeichnet sich eine Lösung zur Sicherung der Nahversorgung ab“, sagte der CDU-Rat Axel Deutsch. Das betrachtet er als die zentrale Aufgabe in Kemnat. Die Größe des Einkaufsmarkts mit 1000 Quadratmetern bedeute für den Laden „fast eine Verdoppelung der Fläche“. Das schafft aus seiner Sicht deutlich bessere Voraussetzungen für die Entwicklung des Einzelhandels.
„Durch die Aufteilung in drei Bereiche kommen wir dem Neubau endlich ein großes Stück näher“, sagt Petra Hönschel-Gehrung. Die Fraktionschefin der Freien Wähler hofft, dass durch die Umplanung die Nahversorgung gesichert ist. Da es im Ort bereits drei Bäckereien gebe, hat sie jedoch Probleme damit, einen Bäcker in dem Markt vorzusehen. „Das müssen wir sehr genau prüfen.“ Da möchte sie die gewachsenen Strukturen im Stadtteil Kemnat schützen.
„Alles wird gut, das haben wir immer wieder vernommen. Sehr lange wurde es nicht gut“, sagte Jürgen Kleih (Bündnis 90/Grüne). Nun habe er die Hoffnung, dass doch alles gut werde. Mit der ambulanten betreuten Wohngemeinschaft, die im Zusammenhang mit dem Lebensmittelmarkt entstehen soll, ist Kleih ebenfalls einverstanden.

eli / Foto: Ines Rudel


Familien können nicht mehr warten

Enttäuscht und verbittert reagieren Betroffene auf den Planungsstopp für ein Wohnheim mit Kurzzeitpflegeplätzen für Kinder mit Behinderung in Baltmannsweiler

Fahrten nach Stuttgart und Ulm müssen die Familien auf sich nehmen, wenn sie ihre mehrfach behinderten Kinder betreuen lassen wollen. Wohnortnahe Angebote, die diesen Kindern und Jugendlichen beispielsweise den Schulbesuch während dieser Zeit ermöglichen würden, gibt es nicht im Kreis Esslingen. Seit zehn Jahren laufen entsprechende Planungen von Kreisverwaltung und Diakonie Stetten (Rems-Murr-Kreis) – doch erneut scheiterte jetzt die Umsetzung. Wegen steigender Baukosten hat die Diakonie Stetten den Bau des Wohnprojekts in Baltmannsweiler mit 18 stationären Plätzen und sechs Kurzzeitplätzen abgesagt. Das trifft die Betroffenen hart.
„Sprachlos und schockiert“ hat Judith Kuhn die Nachricht vom Aus für das in Baltmannsweiler geplante Wohnheim aufgenommen, das die Diakonie Stetten mit den steigenden Baukosten begründet. „Wir fühlen uns alleine gelassen, ich war kurz mal am Verzweifeln“, erklärt die Mutter von drei Kindern, deren mittlere Tochter wegen Sauerstoffmangels bei der Geburt schwere Hirnschäden davon getragen hat. Die Sechsjährige schläft nachts nicht, und auch tagsüber braucht sie ständig Betreuung. Den Weg von Ostfildern nach Baltmannsweiler hätten die Gymnasiallehrerin und ihr Mann, ebenfalls Pädagoge, in Kauf genommen, damit die Tochter eine Schule besuchen kann.
Doch daraus wird so schnell nichts. Und auch nichts aus der erhofften Entlastung. „Wir brauchen mal Pause in der Pflege, aber wir bekommen sie nicht“, klagt die Pädagogin, die einfach mal durchschlafen möchte, bevor sie mit ihren Schülern ins Deutsch-Abi geht.
Wenn sie ihre Tochter in Ulm oder Stuttgart für ein paar Tage Auszeit anmelden möchte, steht die Familie hinten auf der Liste, weil kreiseigene Kinder Vorrang haben. Und als Auswärtige müssen sie auch noch mehr bezahlen. „Wenn Familien auf Angebote bis nach Ulm oder den Bodensee verwiesen werden, ist dies unzumutbar für alle Beteiligten“, sagt dazu Simone Fischer, die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Pflegende Familien bräuchten Entlastungsstrukturen in ihrer Nähe. „Wo sollen wir denn hin, wenn es hier nichts gibt?“, fragt sich auch Caroline Habrik, deren Tochter, mit einem Gendefekt geboren, in diesem Sommer die Schule verlassen muss, weil sie 18 Jahre alt wird. „Für unsere Kinder gibt es zu wenig Werkstattplätze“, ergänzt die Esslingerin, es hake an allen Ecken und Enden. Auch für ihre Familie sei das Aus in Baltmannsweiler ein Schock. Diesen Mangel an Versorgung bezeichnet Habrik als „unsäglich“, vor allem in einem Landkreis, der ja nicht arm sei.
Dieser Gedanke treibt auch Ursula Hofmann um, die sich seit vielen Jahren zusammen mit den genannten Müttern im Esslinger Verein „Rückenwind. Pflegende Mütter behinderter Kinder stärken!“ engagiert und zu dessen Gründerinnen zählt. „Es müsste sich doch jemand finden, der jetzt einspringt“, fordert die gelernte Hebamme, die ihre Tochter Anne pflegt, seit diese vor 20 Jahren mit einem Gendefekt auf die Welt kam. Den Beruf musste die vierfache Mutter an den Nagel hängen und damit sei Altersarmut – ähnlich wie bei vielen anderen pflegenden Müttern – programmiert. Immerhin erkenne die Kreisverwaltung inzwischen den Bedarf der Eltern an, sagt die Esslingerin, die 90 Familien hinter sich weiß.
Moralische Unterstützung kommt immerhin von Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin im Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Sie sagt: „Der Landkreis war und ist in der Verantwortung, Lösungen zur Entlastung zu finden. Es ist beschämend, wie der Kreis mit den Nöten der Familien umgeht.“
Den Bedarf bestätigt auch Christian Greber, der das Amt für allgemeine Kreisangelegenheiten leitet und „den Rückzug der Diakonie Stetten sehr bedauert“. Die Suche nach einem anderen Vertragspartner und Alternativen habe die Landkreisverwaltung eingeleitet und den Angehörigenvertretungen zugesichert. Dass die vorherigen Planungen am Standort Plochingen nicht umgesetzt werden konnten, „lag nicht in der Verantwortung des Landkreises“, ergänzt Greber mit Blick auf die vergeblichen Anläufe der Diakonie, das Angebot 2018 in Plochingen zu schaffen.
Einer Beteiligung des Kreises an gestiegenen Baukosten erteilt der Amtsleiter eine klare Absage: „Ein Baukostenzuschuss kommt nicht in Frage.“ Immerhin erfolge die Refinanzierung solcher Investitionskosten über Tagessätze, die von den Landkreisen finanziert werden.

com / Archivfoto: Gottfried Stoppel


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Nach dem Wegfall von Corona-Beschränkungen nimmt die Reiselust der Deutschen weiter zu. Haben Sie den Sommerurlaub schon gebucht?

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Not lindern und Zeichen setzen

Esslingen leistet seit Kriegsbeginn Hilfe für die Ukraine – Solidaritätspartnerschaft mit der Stadt Kamianets-Podilskyi

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Herbst die Ukraine besuchte, hat er den Menschen dort versprochen: „Ihr könnt euch auf Deutschland verlassen. Wir werden die Ukraine weiter unterstützen: militärisch, politisch, finanziell und humanitär. Und eben auch ganz konkret vor Ort – durch viele zwischenmenschliche und kommunale Verbindungen.“ Um dieses Bekenntnis mit Leben zu erfüllen, ließ die örtliche SPD-Gemeinderatsfraktion prüfen, „ob und in welcher Form und mit was für Inhalten Esslingen eine partnerschaftliche Beziehung zu einer Stadt in der Ukraine aufbauen kann“. Zunächst solle eine Partnerschaft „vor allem helfenden Charakter“ haben. Auf Vorschlag des Rathauses hat der Verwaltungsausschuss nun beschlossen, eine Solida­ritätspartnerschaft mit der westukrainischen Stadt Kamianets-Podilskyi anzustreben.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hatten die Stadt Esslingen und einige örtliche Initiativen rasch Hilfe auf den Weg gebracht. Oberstes Ziel war, „Ukrainerinnen und Ukrainer zu unterstützen, die entweder in Esslingen ankommen oder zum Zwischenaufenthalt oder dauerhaften Bleiben in Esslingens Partnerstädten Eger in Ungarn und Piotrków Trybunalski in Polen sind“, betonte Katrin Radtke, die Leiterin der Abteilung Städtepartnerschaften im Rathaus. Und natürlich wolle man auch den Menschen in der Ukraine helfen – ganz im Geiste des Esslinger Anspruchs, sich für ein friedliches Europa zu engagieren und den Zusammenhalt zu stärken.
Eine klassische Städtepartnerschaft ist nach Radtkes Einschätzung derzeit nicht der hilfreichste Weg: Der Aufbau regulärer Kontakte zu einer ukrainischen Stadt werde in der aktuellen Situation Monate dauern, persönliche Begegnungen seien kaum möglich – wichtiger seien derzeit konkrete Hilfen etwa durch die Lieferung von Generatoren, Lebensmitteln oder medizinischen Produkten. Deshalb empfahlen Katrin Radtke und OB Matthias Klopfer zunächst eine Solidaritätspartnerschaft mit einer Stadt, die noch keine deutsche Städtepartnerschaft pflegt.
Unterstützt durch die gemeinnützige Gesellschaft Engagement Global hat Esslingen drei ukrainische Kommunen genauer in den Blick genommen. Weil Melitopol im Osten der Ukraine und die Hafenstadt Tschornomorsk bei Odessa mehrere Partnerschaften haben, fiel die Wahl auf Kamianets-Podilskyi – eine der ältesten Städte der Ukraine mit etwa 100 000 Einwohnern. Dort gibt es bereits eine Strategie für die Zeit nach dem Krieg. Katrin Radtkes Vorschläge für den weiteren Weg zu einer Solidaritätspartnerschaft haben im Verwaltungsausschuss viel Beifall gefunden: Verlaufen die ersten Kontakte positiv, wollen die Esslinger zunächst Hilfsgüter bereitstellen und dabei auch Förderprogramme des Bundes nutzen. Nach Kriegsende soll dann der Wiederaufbau unterstützt werden – etwa durch einen inhaltlichen Austausch von Fachleuten. Später könnten dann konkretere Kontakte in Bereichen wie Kultur, Sport, Wirtschaft oder Politik angeknüpft werden. Ob sich daraus eine klassische Städtepartnerschaft entwickeln kann, muss die Zeit zeigen.
OB Klopfer betonte, dass eine Solidaritätspartnerschaft nur ein weiterer Schritt sei: „Wir werden in den nächsten Jahren noch über viele Solidaritätsaktionen für die Ukraine reden müssen.“ Für ein Gelingen sei das Engagement vieler Menschen nötig. Im Verwaltungsausschuss stießen die Initiative und die angestrebte Solidaritätspartnerschaft auf breite Unterstützung.

Hilfe: Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Esslingen auf vielfältige Weise Solidarität gezeigt. Unter anderem hat die Stadt ein Spendenkonto eingerichtet, im März 2022 gab es einen Hilfstransport in die ungarische Partnerstadt Eger zur Unterstützung der aus der Ukraine dorthin Geflüchteten. Die West-Ost-Gesellschaft und die Aktion „Ukrainische Engel“ wurden bei Hilfstransporten in die polnische Partnerstadt Piotrków Trybunalski und deren ukrainische Partnerstadt Riwne unterstützt.

Gedenken: „Ein Jahr russischer Angriffskrieg auf die Ukraine – Gedanken und Gebet“ ist eine Gedenkveranstaltung überschrieben, die am 24. Februar ab 17.30 Uhr in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys beginnt. Anschließend soll es eine Gedenkminute auf dem Marktplatz geben. 

adi / Foto: Roberto Bulgrin


Ein eigener Obstbaum zur Hochzeit

Mit der Jubiläumswiese wirbt der Obst- und Gartenbauverein Neuhausen zum 100-jährigen Bestehen um Mitglieder

Eine Jubiläumswiese legen die Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) Neuhausen zum 100-jährigen Bestehen an. Unterhalb der Josefskapelle wird die Wiese im Frühjahr mit den ersten Bäumen bepflanzt. „Da dürfen unsere Mitglieder und solche, die es werden wollen, zu besonderen Anlässen wie Geburten oder Hochzeiten Bäume pflanzen“, sagt Corinna Jaron-Theiler. Die 50-Jährige kümmert sich in dem Verein um die Öffentlichkeitsarbeit. Die Idee stammte von den Obst- und Gartenbauern, die Wiese stellt die Gemeinde bereit. „Ein schönes Projekt, um den Streuobst-Anbau zu pflegen“, sagt Neuhausens Ortsbaumeister Rainer Däschler, der selbst auf der Schwäbischen Alb Wiesen mit Apfel- und Kirschbäumen hat.
Das Konzept lässt den Baumbesitzern Freiraum. „Jede und jeder kümmert sich selbst um den gepflanzten Baum“, sagt Jaron-Theiler. Wer damit aber erst mal nicht klar kommt, darf sich an die Experten wenden. „So wollen wir gerade junge Familien für den Obstanbau begeistern“, sagt Jaron-Theiler – zumal Natur, Klimaschutz und Nachhaltigkeit für die junge Generation zentrale Themen seien. Zwar könne der OGV nicht über Nachwuchssorgen klagen, „aber es könnten noch mehr junge Menschen sein“.
„Man muss keinen großen Garten haben, um sich im Jahresprogramm wiederzufinden“, sagt Thomas Weber. Der zweite Vorsitzende ist überzeugt, „dass man auch auf dem Balkon einen wunderschönen Mini-Garten anlegen kann“. Wie das gelingen kann, vermitteln die Gartenfreunde mit Kursen oder im persönlichen Gespräch. Aus Webers Sicht hat sich die Arbeit in den vergangenen 20 Jahren deutlich gewandelt: „Wir wollen gerade auch die Single-Haushalte für unsere naturnahen Projekte interessieren, also Leute, die keinen großen Garten haben.“ Seit 27 Jahren ist Dietmar Maier Vorsitzender der Obst- und Gartenbauer, er verweist darauf, dass neben den klassischen Baumschnitt-Kursen verstärkt Themen angeboten werden, die auch junge Leute interessieren.
Als der Obst- und Gartenbauverein am 18.  Februar 1923 gegründet wurde, hatte der Anbau vor der eigenen Haustür noch einen sehr viel höheren Stellenwert. Da versorgten sich viele Familien über ihr eigenes Wiesle selbst – gerade in der großen Not nach dem Zweiten Weltkrieg. „Uns ist es wichtig, das Wissen früherer Generationen an die jungen Leute weiterzugeben“, sagt Dietmar Maier. Damit es auch in kleineren Gärten richtig grünt und blüht, ist zum Beispiel der richtige Rosenschnitt wichtig. Da hat Philipp Flaig wertvolle Tipps, der auch der Kassier des Vereins ist.
Corinna Jaron-Theiler überzeugt möchte gerade jungen Familien „Impulse geben, ihre Gärten so zu bepflanzen, dass sich auch Insekten und Vögel dort wohlfühlen“. Das sei die wichtigste Aufgabe einer zukunftsweisenden Vereinsarbeit. Dass durch Wohnungsnot und Geschosswohnungsbau immer weniger Menschen eigene Gärten haben, sieht Jaron-Theiler als Chance. „Den Menschen Lust machen, sich in der Natur zu bewegen und deren Gaben zu nutzen“, das findet sie einfach schön. 

Info: Am 25. Februar findet eine Winterschnittunterweisung statt, am 11. März ein Rosenschnittkurs. Am 16. März ist die OGV-Jahreshauptversammlung. Am 6. Mai ist eine Kräuterwanderung geplant. Der Jahresausflug auf die Insel Mainau steht am 24. Juni auf dem Plan. In Zusammenarbeit mit dem Albverein ist am 15. und 16. Juli eine Wanderung an der Gemarkungsgrenze geplant. Am Jubiläumswochenende (23. und 24. September) gibt es einen Festakt und das Mostfest. Wer sich für einen Baum auf der Jubiläumswiese oder für die Mitgliedschaft im Verein interessiert, meldet sich bei Dietmar Maier (Telefon 0 71 58/614 91).

eli / Foto: Horst Rudel


Der Strom kommt aus den „Ohren“

Flächen an Bundes- und Landesstraßen können für Solarparks genutzt werden – Auch Standorte im Kreis Esslingen möglich

In Baden-Württemberg gibt es bislang kaum Solaranlagen entlang von Bundes- und Landesstraßen. Das soll sich ändern: Die Landesregierung stellt dafür insgesamt 260 mögliche Flächen bereit. Auch in der Region Stuttgart könnten schon bald etliche Photovoltaikmodule an zentralen Verkehrsachsen aufgebaut werden.
Im Landkreis Esslingen zum Beispiel hat das Land 15 potenzielle Standorte für Solarparks ausfindig gemacht. Diese liegen nach Angaben des Verkehrsministeriums an den zwei Bundesstraßen 312 und 313 sowie an drei Landesstraßen und betreffen die Gemeinden Ostfildern, Denkendorf, Wernau, Wendlingen, Köngen, Neckartenzlingen, Neckartailfingen und Aichtal.
Zum Großteil handelt es sich um bisher ungenutzte Flächen in den sogenannten Innenohren, gemeint sind damit die kreisrunden Areale an den Zu- und Abfahrten zur Schnellstraße. Aber auch etliche Lärmschutzwände und Straßenböschungen bieten sich für das Aufstellen von Solarpaneelen an. Die 15 möglichen Photovoltaikanlagen könnten nach Angaben einer Sprecherin des Verkehrsministeriums insgesamt rund 6,5 Gigawattstunden Ökostrom pro Jahr liefern. Fünf potenzielle Betreiber hätten Interesse an Flächen im Kreis Esslingen bekundet. Welche das sind, will man „aus Datenschutzgründen“ allerdings nicht sagen.
Außer in der Landeshauptstadt selbst, wo es aus Sicht des Landes keine geeigneten Flächen gibt, könnten im Ballungsraum Stuttgart zahlreiche Solarparks am Straßenrand entstehen. Fündig wurde man nämlich auch im Rems-Murr-Kreis (30 Flächen, vorwiegend an der B 14 und der B 29), im Kreis Böblingen (14 Flächen entlang der Bundesstraßen 14, 28 und 464) sowie im Kreis Ludwigsburg (zwei Flächen, eine davon an der B 27).
Insgesamt hat das Land 260 potenzielle Standorte für Solarparks lokalisiert. Die meisten liegen im Regierungsbezirk Stuttgart (85), gefolgt von den Regierungsbezirken Karlsruhe (74), Tübingen (71) und Freiburg (26). „Wenn alle Flächen genutzt werden, liegt der mögliche Jahresertrag auf diesen Flächen bei rund 122 Gigawattstunden“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei der Vorstellung der Ergebnisse des Interessenbekundungsverfahrens. Das entspreche dem Jahresverbrauch von rund 35 000 Drei-Personen-Haushalten.
Doch ob die Freiflächenanlagen tatsächlich alle errichtet werden, ist noch unklar. Die Landesregierung hat zwar den Weg dafür geebnet, den Betreibern stehe es aber frei, ob sie ihre Projekte unter den vorgegebenen Bedingungen umsetzen wollen, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Die Energieversorger hätten nun die Möglichkeit, auf die jeweilige Straßenbauverwaltung zuzugehen, um genauere Informationen zu den straßenbautechnischen und den rechtlichen Rahmenbedingungen zu erhalten. In den meisten Fällen braucht es vermutlich einen Bebauungsplan, um das Baurecht für eine Photovoltaikanlage zu schaffen.
Insbesondere Unternehmen waren im vergangenen Jahr aufgefordert, ihr Interesse zu signalisieren, wenn sie auf einer Fläche in der Nähe einer Bundes- oder Landesstraße ein Sonnenkraftwerk betreiben wollen. Der Aufruf des Landes stieß auf große Resonanz: 28 Betreiber meldeten insgesamt rund 650 Flächen zur Prüfung an, teilt das Verkehrsministerium mit. Doch nicht jedem Wunsch konnte entsprochen werden. Viele Flächen kommen nicht infrage, weil sie sich nicht im Eigentum von Bund oder Land befinden, weil ein Um- oder Ausbau ansteht oder Artenschutzgründe dagegensprechen. Im Kreis Esslingen beispielsweise erwies sich gut die Hälfte der angemeldeten 33 Flächen als ungeeignet für Solaranlagen, in den Kreisen Ludwigsburg, Böblingen und im Rems-Murr fielen insgesamt 27 Flächen durchs Raster.
Die knapp 260 möglichen Standorte sind laut Verkehrsminister Hermann „ein erster, aber wichtiger Schritt“. Weitere Solarparks am Straßenrand sollen folgen. Als Vorbild dafür könnten die „Lustnauer Ohren“ an der B 27 in Tübingen dienen. An den Zu- und Abfahrten haben die Stadtwerke 2880 Photovoltaikmodule auf zwei Innenohren aufgestellt. Kostenpunkt: rund 800 000 Euro. Der Solarpark ist im vergangenen Jahr ans Netz gegangen. Mit der jährlich erwarteten Strommenge von etwa 1157 Megawattstunden können rund 260 Vier-Personen-Haushalte mit Sonnenstrom versorgt werden.

eh / Foto: Manfred Grohe