Für Spaziergänger ist der Frühling im Wald eine Wonne – Für den Förster bedeutet die Saison einiges an Arbeit

Langsam rollt der Geländewagen von Förster Steffen Grätsch über einen der zahlreichen Waldwege in Lichtenwald. Einige Sonnenstrahlen kämpfen sich durch das dichte Blätterdach und verleihen diesem Ort einen magischen Glanz. War der Wald vor Kurzem noch grau und vom Winter gezeichnet, fängt nun alles an zu blühen. Die Bäume seien gerade im Saft, erklärt der 34-Jährige. Die Temperaturen sind noch mild. In dieser Jahreszeit mache die Arbeit besonders viel Spaß, sagt Grätsch.
Mit ihm im Auto sitzt Jürgen Sistermans-Wehmeyer, sein Kollege von Forst BW. Er kümmert sich im Bezirk Schurwald, der auch den Kreis Esslingen abdeckt, um die Öffentlichkeitsarbeit. Die beiden Waldexperten wollen zeigen, welche Aufgaben zum Beruf des Försters gehören. Gerade jetzt im Frühjahr komme da vieles zusammen, sagt Grätsch, der das Revier Lichtenwald leitet. Da wäre zum einen die Planung für das kommende Forstjahr, das im Juli beginnt. Zwar könne man einiges nicht planen, das hat die Arbeit in der Natur so an sich. Aber: „Ich weiß zum Beispiel jetzt schon, wann wir als Nächstes Holz machen“, sagt Grätsch.
Unter den Reifen des Fahrzeugs knirscht der Kies. Der ganze Weg sei erst kürzlich neu gemacht worden, erzählen die beiden Männer. Auch das ist eine wichtige Aufgabe: das Richten der Infrastruktur. Denn die Pfade werden durch die tonnenschweren Zugmaschinen, die im Winter beim Holzmachen eingesetzt werden, in Mitleidenschaft gezogen. Nun werden die Spuren beseitigt. Es gibt aber noch eine andere Aufgabe, der die Förster momentan nachgehen. Sie wird vermutlich in Zukunft noch viel wichtiger werden: das Pflanzen neuer Bäume.
Etwa eine Stunde vor der Fahrt durch den Wald stapfen Grätsch und Sistermans-Wehmeyer einen steilen Weg hinaus, der hinter ihrem Arbeitsplatz nahe der Reichenbacher Bannmühle einen Hügel hinaufführt. Nach wenigen Minuten, die Kuppe ist in Sichtweite, sieht man sie schon: die ersten Setzlinge. Kurz zuvor hatten Mitarbeiter von Grätsch die Bäume an diesem Hang gepflanzt, an dessen Fuß eine recht große Lichtung liegt. Steffen Grätsch erklärt, dass es sich um Wildkirsche- und Holzapfelbäume handele. Der Biodiversität wegen.
Um sie zu schützen, sind leichte, hölzerne Gitter um die jungen Bäume befestigt. Gäbe es sie nicht, würden die Pflanzen von Tieren angefressen werden. „Ohne die Wuchshüllen wäre das so, wie wenn man in einem Kindergarten Schokolade auf den Tisch legt und hofft, dass es keiner isst“, erklärt Grätsch. Von diesen Hüllen gibt es verschiedene Varianten, häufig werden Rohre aus Kunststoff verwendet. Nicht so im Revier Lichtenwald. „Wir sind ein plastikfreier Betrieb“, erklärt der 34-Jährige. Das schlägt sich in den Kosten nieder, die Holzhüllen sind etwa fünfmal so teuer wie die Alternative aus Plastik. Bei rund 1700 Setzlingen, die im Revier gepflanzt werden, summiert sich das.
Doch wieso müssen überhaupt Bäume gepflanzt werden? Damit keine Monokulturen entstehen. Es ist ein mittlerweile offenes Geheimnis, dass viele heimische Baumarten mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen nicht zurechtkommen. Dürren, Trockenstress und Schädlinge führen dazu, dass zum Beispiel viele Nadelbäume absterben. Würden Grätsch und seine Kollegen nicht eingreifen, indem sie robustere, nicht heimische Arten wie die Douglasie pflanzen, dann würden die Wälder der Region vermutlich von starken Arten wie der Buche dominiert werden. „Aber das ist nicht das, was wir als Betrieb wollen, und auch nicht das, was der Naturschutz will“, sagt Grätsch. „Weil wir eben viele Arten haben – Insekten zum Beispiel brauchen verschiedene Strukturen.“
Pflanzen hilft also dabei, den Wald zukunftsfähig zu machen. Unterstützung bekommen sie dabei von Wissenschaftlern, die für Forst BW arbeiten und spezielle Karten anfertigen. Auf diesen ist eingezeichnet, wo sich welche Kultur am besten eignen würde.
Doch es gibt auch Nachteile. Jahrzehntelang war man laut Grätsch der Meinung: „Wir müssen mehr Waldumbau machen.“ Die vergangenen 30 Jahren wurde dies aber zurückgefahren. Das hat auch einen wirtschaftlichen Grund: Zum einen sind Setzlinge und Materialien sehr teuer, zum anderen ist der Aufwand sehr groß. Damit die jungen Bäume besser wachsen, muss nämlich jahrelang Unkraut entfernt werden. „Das erste Jahr ist das wichtigste“, sagt Grätsch.
Außerdem sei die natürliche Fortpflanzung der Bäume noch immer der beste Weg – allein deshalb, weil der Mensch zahlenmäßig kaum mithalten könnte. Die Wurzeln entwickeln sich aber auch besser bei der natürlichen Verjüngung. „Nur weil man eine Kultur pflanzt, heißt das nicht, dass sie zum Bestand wird“, erklärt der Revierförster mit Blick auf die zahlreichen Setzlinge am Hang. „Daher versuchen wir das nur dort zu machen, wo es nötig ist.“ Zum Beispiel an Stellen, wo Trockenheit und Naturgewalten ihre Spuren hinterlassen haben.
dcb / Foto: Roberto Bulgrin