Pflücken ist Vertrauenssache

Auf Selbstbedienungsfeldern im Kreis kommt es immer wieder zu Diebstählen – Für Landwirte ist das doppelt ärgerlich

Sie schaffen Abhilfe bei vergessenen Hochzeits- oder Geburtstagen, erfreuen Autofahrerinnen und Autofahrer und eignen sich sogar für einen kleinen Sonntagsausflug: Schnittblumenfelder zum Selbstpflücken. Neu sind sie nicht mehr. Mehr als 25 Jahre sind vergangen, seit die ersten Beete angelegt wurden. Auch im Kreis Esslingen gibt es einige. Weil die Felder außerhalb von Siedlungen liegen und meist unbewacht sind, sind sie aber auch beliebtes Ziel für Diebe. Bereits vor vier Jahren war das Thema in den Schlagzeilen, weil es eine regelrechte Serie an Diebstählen auf Blumenfeldern in der Region gab – unter anderem wurden damals auf den Fildern Verkaufsstellen geplündert. Die Konsequenz: Überwachungskameras. Doch hat sich etwas verändert?
Joachim Mack, der zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Selbstbedienungsgärten auf der Filderebene betreibt, hat die Überwachung mit Kameras ausprobiert. Doch die haben einen Haken: „Man kann nur erkennen, dass die Leute etwas reinwerfen, aber nicht genau was.“ Ein anderer Landwirt aus der Region berichtet von Hosenknöpfen und ausländischer Währung, die zwei- bis dreimal im Monat in seiner Kasse liegen. Über eine Kamera hat er nachgedacht, sich aber dagegen entschieden, weil er weiter Vertrauen in seine Kundschaft haben möchte.
Pfingstrosen, Flieder, Sonnenblumen, Herbstchrysanthemen und viele Blumenarten mehr blühen auf drei Feldern der Macks – zu Beginn bestellte die Familie noch mehr von den jeweils rund 1500 Quadratmeter großen Äckern. Doch sie mussten Felder aufgeben. Der Grund spiegele die Veränderung der vergangenen Jahre wider, sagt Mack. Seit 1995 bietet er die Blumenbeete an – seitdem habe sich vor allem das Bezahlverhalten der Kunden verändert: „Die Zahlungsmoral nimmt seit der Einführung des Euro ab.“ Dabei sind die selbstgepflückten Blumen durch das Einsparen von Verkaufspersonal oft günstiger als Tulpen und Co. im niedergelassenen Blumenhandel – pro Blume zahlt man direkt vom Feld meist zwischen 50 und 80 Cent.
Auch professionelle Langfinger zieht diese potenzielle Gewinnspanne an: „Es ist besonders dreist, aber manchmal passiert es, dass Wiederverkäuferinnen und -verkäufer ganze Felder leerräumen, sich ohne Bezahlung aus dem Staub machen und Profit für sich rausschlagen“, berichtet Dieter Bär, der 30 Felder im Bodenseeraum besitzt und Interessierte berät, die ins Geschäft einsteigen wollen. Was gegen diese Art von Kriminalität helfe, sei eine gut sichtbare Lage der Felder neben einer größeren Straße und in Stadtnähe.
Ein derart großer Verlust sei auf seinen Feldern nicht vorgekommen, berichtet Mack. Bei einem anderen Landwirt aus der Region ist es vorgekommen, dass die Kasse aufgebrochen und ein hoher Geldbetrag entwendet wurde. Zur Anzeige hat der Landwirt den Vorfall nicht gebracht, weil er damit leben müsse, wie er sagt. Ein Sprecher der Polizei bestätigt dies: „Diese Art von Diebstählen wird selten zur Anzeige gebracht.“
Generell profitiere sein Geschäft davon, dass er die meisten seiner Kundinnen und Kunden persönlich kenne, sagt der Landwirt: „Die möchten mir ja noch in die Augen schauen.“ Außerdem habe er das Gefühl, dass die Leute diesen „unabhängigen Verkauf“ schätzten. Vor allem während der Coronapandemie seien die Leute froh gewesen, kontaktlos frische Blumen zu bekommen. Seit dem Vorfall vor ein paar Jahren leert er die Kasse jeden Abend.
Auch Joachim Mack nimmt jeden Abend den Tagesumsatz mit. Dieser variiere stark: „Manchmal nichts, manchmal bis zu 150 Euro“, sagt er. Damit, dass es Kundinnen und Kunden gebe, die mal ein paar Blumen mitnehmen, ohne Geld in die Kasse zu werfen, müsse man rechnen. Das Geschäft beruhe auf Vertrauen. Für die Anbaubetriebe ist das aber nicht nur wegen der finanziellen Verluste ärgerlich, die Pflanz- und Pflegearbeit für die Blumenacker sei nicht ohne. Auch wenn sich die farbenfrohen Blüten erst in den wärmeren Monaten zeigen, bescheren sie das ganze Jahr über jede Menge Arbeit: Familie Mack arbeitet jede Woche mindestens einen Tag auf ihren Feldern.

sbr / Foto: Ines Rudel


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