Praxisnahe Wahlübung

Verwaltungsschüler und Landratsamt-Azubis schlüpfen bei einem Planspiel in neue Rollen

Europawahl und zugleich Kommunalwahl: Am 26. Mai sind die Baden-Württemberger zur doppelten Stimmabgabe aufgerufen. Bei den Wahlen zu den Gemeinderäten, zum Kreistag und zur Regionalversammlung dürfen schon 16-Jährige ihre Kreuzchen auf den Stimmzetteln machen. Spätestens Ende Mai sollte man also die Begriffe „kumulieren“ und „panaschieren“ schon einmal gehört haben. Beim umfangreichen Planspiel „Du hast die Wahl in Wahlingen“ der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) haben vor Kurzem gut 100 Verwaltungsschüler und Azubis des Esslinger Landratsamts im Alter von 17 bis 21 Jahre Kommunalwahl gespielt und ihr politisches Wissen durch praktische Übungen erweitert.

Einen Tag lang schlüpfen die Auszubildenden in ganz unterschiedliche Rollen, darunter Parteikandidaten, Journalisten und Mitglieder von Bürgerinitiativen. „Etwa ein Viertel der Teilnehmer sind Erstwähler“, erklärt Anja Off, die kommissarische Leiterin der Verwaltungsschule Esslingen. Sechs kommunale Listen und zwei Bürgerinitiativen gibt es für die Kommunalwahl im fiktiven, gut 8000-Einwohner zählenden Ort Wahlingen. 18 Sitze sind im Wahlinger Gemeinderat zu besetzen. Die Parteien und ihre Kandidaten orientieren sich im Wahlkampf inhaltlich dabei an den realen Parteien. Die CDU wird so beispielsweise zur CVP, die AfD zur PfD.

Zur Debatte stehen fünf Themen: die Seebad-Erweiterung inklusive des neuen Sportplatzes im Naturschutzgebiet, freies WLAN, der Umbau des Jugendzentrums zum Integrationszentrum, die Videoüberwachung sowie Nachtbusse. Pro Partei werden ein Spitzenkandidat aufgestellt, ein Wahlprogramm erarbeitet, Wahlplakate und Schaubilder für den „Bürgerinfotag“ vorbereitet. Die Spitzenkandidaten werden für die  große Podiumsdiskussion fit gemacht, um im Anschluss bei der sehr realitätsnah durchgeführten Wahl möglichst viele Stimmen zu sammeln. Es gibt originalgetreue Stimmzettel, auf denen schließlich fleißig kumuliert und panaschiert werden kann, um die insgesamt 18 Stimmen für den Wahlinger Gemeinderat individuell zu verteilen.

Teils extreme Meinungen

„Allein durch ihre Ausbildung sind die Teilnehmer schon ziemlich gut informiert. Wichtiger als Theorie ist daher die praktische Simulation, dass sie sich in ganz neue Rollen reinversetzen und dort dann teils auch extreme Meinungen vertreten müssen, die mit ihren persönlichen ansonsten gar nichts zu tun haben“, erklärt Thomas Franke, bei der LpB Fachreferent Politische Tage und zudem in der Stabsstelle für die Erstwählerkampagne zur Kommunalwahl.

Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Positionen durch die drei Radio-Journalisten Ute Bauer (die im realen Leben Roksana Wrobel heißt), Frank Zähringer (Georg Stumpp) und Markus Hauser (Judith Rupp) geht Thomas Franke mit den Teilnehmern vor der eigentlichen Wahl nochmals die Abläufe und die wichtigsten Grundsätze der Verfassung durch: Was bedeutet denn „Freie Wahl“ (der Wähler kann seine Stimme selbst und unbeeinflusst abgeben), wie definieren sich in diesem Zusammenhang Begriffe wie „Gleich“ (jede Stimme zählt gleich viel) oder „Unmittelbar“ (ohne Wahlmänner wie zum Beispiel in den USA)“. Die Antworten kommen schnell, die Theorie sitzt. Jetzt muss nur noch der Stimmzettel so ausgefüllt werden, dass er gültig ist. Schließlich wandert dieser in die bereitstehende Wahlurne, um anschließend ausgezählt zu werden.

Lara Walter darf bei den anstehenden Kommunalwahlen zum ersten Mal wählen: „Dass wir das heute einmal so realitätsnah durchspielen und noch mal Begriffe wie kumulieren und panaschieren wiederholen und lernen, wie das funktioniert, gibt einem bei der realen Wahl dann schon Sicherheit“, findet die 17-Jährige. Marisa Waschiczek ist an diesem Tag in die Rolle einer fiktiven PfD-Gemeinderatskandidatin geschlüpft und vertritt dabei an die AfD angelehnte Inhalte. Eine Herausforderung, wie die 18-Jährige beschreibt: „Da musste ich Positionen vertreten, die so gar nicht meiner eigenen Meinung entsprechen. Das waren zum Beispiel so Punkte wie ‚Ausländer müssen besser mit Kameras überwacht werden’. Das ist gar nicht so einfach, sich da hineinzuversetzen.“ Auch Waschiczek wählt in diesem Jahr erstmals.

Repräsentatives Ergebnis

In die Rolle des CVP-Spitzenkandidaten Bernhard Zimmermann (angelehnt an die CDU) schlüpfte Franziska Unger (17): „Er ist zum Beispiel für die Erweiterung des Seebads, gerade im Hinblick auf die Tourismusförderung, und gegen das Integrationszentrum, da sich da die Jugendlichen benachteiligt fühlen“, beschreibt die Erstwählerin ihre Rolle. Mit derart  realen Themen habe man sich schnell wie in einer richtigen Gemeinde gefühlt. „Ich finde es wichtig, zur Wahl zu gehen, und gut, dass man mitentscheiden kann“, sagt Unger.

Das Wahlergebnis im fiktiven Ort Wahlingen sei sehr repräsentativ, resümiert LpB-Mitarbeiter Thomas Stein nach der Auszählung: „Die Pendants von CDU und Grünen sind stärkste Kräfte, jene von SPD und den Liberalen dagegen schwach. Die Linken- und AfD-Pendants haben den Einzug in den Gemeinderat geschafft.“ Außerdem habe es auch ein paar ungültige Stimmzettel gegeben, weil sich der ein oder andere doch verrechnet hat: „Im Hinblick auf die reale Wahl war das also eine gute und wichtige Übung“, so Stein.  eis / Foto: eis

Info: Das Planspiel kann bei der Landeszentrale für politische Bildung für alle Schularten abgerufen werden.


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