Tora-Rolle in die Esslinger Synagoge eingebracht – Über Spenden finanziert
In der vergangenen Woche hat die israelitische Religionsgemeinschaft Baden-Württemberg (IRGW) ein für sie zentrales Ereignis gefeiert. Die Tora-Rolle für die Zweigstelle in Esslingen ist fertiggestellt und in die Synagoge in der Altstadt gebracht worden. Das wertvolle Schriftstück wurde mit Spenden aus der Esslinger Bürgerschaft und von Vereinen finanziert.
„Aus der Tora zu lesen, ist der Höhepunkt eines jeden Gottesdienstes. Und wer zum Schreiben einer Tora-Rolle beiträgt, der begeht eine wirklich große Tat“, so beschreibt Barbara Traub, die Vorstandsvorsitzende der IRGW, die Entstehung des Schriftstücks. Privatpersonen, Wirtschaftsleute und 18 Esslinger Vereine, darunter die christlichen und muslimischen Kirchen, haben mehr als 40 000 Euro zusammengetragen, um der jüdischen Gemeinschaft die Anschaffung einer eigenen Tora-Rolle zu ermöglichen.
Die Tora-Rolle ist die hebräische Bibel, sie umfasst die fünf Bücher Mose. Sie wird handschriftlich verfasst und besteht aus genau 304 805 Zeichen. Die Handarbeit des Schreibens hat der Rabbiner Yitzhak Goldstein aus Israel übernommen. Er ist ein Sofer, ein Tora-Schreiber, und damit eine hoch angesehene Person in der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Jede Seite der zu einer Rolle verbundenen Pergamente hat 42 Zeilen. Die letzten fehlenden Zeichen hat Goldstein gemeinsam mit Vertretern von Stadt und Land, auch mit Vertretern der Spendengruppen, auf das Pergament gebracht – vorsichtig und behutsam. Wäre nur ein Zeichen misslungen, müsste die Tora-Rolle von vorne geschrieben werden.
In roten Samt eingeschlagen ist das Schriftstück anschließend in einem feierlichen und fröhlichen Festumzug unter der Teilnahme vieler Rabbiner aus ganz Deutschland vom Alten Rathaus in die Synagoge im Heppächer getragen worden. Dort wurde sie in den Tora-Schrein eingebracht. Diesen Schrank hatte die Stadt Esslingen bereits im Jahr 2012 zur Eröffnung der Synagoge gestiftet – und damit das Versprechen gegeben, die jüdische Gemeinschaft beim Erwerb einer eigenen Tora-Rolle zu unterstützen.
Für den Landesrabbiner Netanel Wurmser ist die Tora-Rolle in der Esslinger Synagoge eine „unglaubliche Historie“ und „ein Wunder“. Am selben Ort gab es bereits eine Synagoge. Sie wurde im November 1933 von den Nazis geschändet und die Tora-Rolle vernichtet. „Und nun kehren die verbrannten Buchstaben auf wunderbare Weise wieder zurück“, sagte Wurmser. In seiner Rede mahnte der Esslinger Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler zur Wachsamkeit: Eine starke Bürgerschaft sei das „Bollwerk gegen Antisemitismus“, so Drexler. bob / Foto: bob