Rückstau am Beckenrand

Wegen der Coronapandemie sind  viele Schwimmkurse ausgefallen –  Wartelisten sind lang – Doch es mangelt an Bädern

Geduld ist gefragt für alle, die derzeit nach einem Schwimmkurs für ihre Kinder suchen. Die meisten Angebote sind ausgebucht,   und die Corona-Pandemie hat die ohnehin langen Wartelisten  noch länger werden lassen. Knapp ein halbes Jahr waren die Bäder in Baden-Württemberg  mit wenigen Ausnahmen geschlossen.  Erst seit Mitte Mai sind Anfänger-Schwimmkurse wieder möglich. Bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Landkreis läuft das Kursprogramm langsam an. Schon vor der Zwangspause waren freie Plätze rar, nun warte man mancherorts bis zu zwei Jahre, beklagt der DLRG-Vorsitzende im Bezirk Esslingen, Bastian Sturm. Auf absehbare Zeit werde sich das nicht ändern: „Wir sind maßlos überbucht. Sobald wir neue Plätze anbieten, sind die Listen innerhalb weniger Stunden voll“.

30 Anfragen am Tag

Die Nachfrage bei den Schwimmvereinen ist enorm. „So viele Anfragen wie im letzten Jahr habe ich noch nie erlebt“, berichtet Susanne Baum. Seit vielen Jahren kümmert sie sich beim Schwimmsportverein Esslingen (SSVE) um die Organisation und Verwaltung der Kurse. Gut 30 E-Mails erreichen sie am Tag –  von Eltern, die nach freien Plätzen fragen. Baums eigener Sommerurlaub steht bevor, Entspannung ist dennoch nicht in Sicht: „Ich werde abends im Hotel sitzen und weiter Anfragen beantworten“, sagt sie. Kursleiterin Nadine Stephan vom SSVE bringt im Schwimmbecken der Landessportschule Ruit Kindern ab fünf Jahren das Schwimmen bei. Der Anfängerkurs ist der erste Schritt auf dem Weg zum Seepferdchen. Auch wenn die Eltern  glücklich sind, für ihre Kinder einen Platz gefunden zu haben:  Einen Anschlusskurs werden sie vorerst nicht bekommen. Ein  Problem, erklärt Stephan: Die Kinder haben sich gerade  ans Wasser gewöhnt, sind aber noch nicht schwimmsicher. „Wenn es dann ein halbes Jahr oder länger dauert, bis sie einen Anschlusskurs finden, haben sie das meiste schon wieder verlernt und müssten eigentlich von vorne anfangen.“

Um ausgefallene Kurse nachzuholen, bleiben einige Bäder außerplanmäßig geöffnet. Im Inselbad Zizishausen ist Schwimmen lernen  dieses Jahr auch in den Sommerferien möglich. Zehn Vereine nutzen das von den Stadtwerken Nürtingen betriebene Hallenbad. Normalerweise bleibt es bis zum Herbst geschlossen. Erstmals bieten die städtischen Bäder in Wernau über den Sommer Kurse im Freibad an, ergänzend zum bereits bestehenden Angebot im Hallenbad in der Wintersaison. Die Stadtwerke Esslingen lassen das Lehrschwimmbecken im Merkel’schen Schwimmbad bis August in Betrieb, der SSVE bietet hier zusätzliche Intensivkurse an. Die Angebote sollen helfen, den Stau abzubauen. Die meisten waren innerhalb kurzer Zeit ausgebucht.

Sonne und Hitze ziehen Familien ans Wasser. Können Kinder nicht sicher schwimmen, seien die Folgen absehbar, warnt Bastian Sturm. Dass Schwimmen zu den Grundfertigkeiten eines jeden Kindes gehört, betont   Kultusministerin Theresa Schopper, die in der Landesregierung auch für den Sport zuständig ist.  Das Land fördert neue Schwimmkurse im Rahmen eines  Sofortprogramms mit bis zu 400 Euro. Seit 21. Juni können Anträge gestellt werden. Die Nachfrage war so hoch, dass die Fördermittel nach  zwei Wochen von 900 000 auf zwei Millionen Euro aufgestockt wurden.

Auch der SSVE hat die Förderung für seine Zusatzkurse bewilligt bekommen, das Geld soll in die Ausbildung neuer Kursleiter investiert werden. „Das Programm hilft uns“, sagt Sturm. Die DLRG könne dadurch neues Material anschaffen oder Anreize für Kursleiter setzen, indem ihnen die Fahrtkosten erstattet werden. Am Hauptproblem ändere das nichts: den Vereinen fehle es seit Jahren an Wasserfläche. Es stehen schlicht nicht genügend Bäder zur Verfügung, um die benötigte Anzahl an Kursen durchzuführen, so Sturm. Das Programm sieht er dennoch als Schritt in die richtige Richtung – zumindest habe das Land das Problem erkannt.  Bis die Wartezeiten für einen Schwimmkurs wieder auf dem Niveau vor der Pandemie sind, wird es noch dauern. Beim SSVE ist man zumindest optimistisch, dass die 90 Kinder, die derzeit auf der Warteliste stehen, eine gute Chance auf einen Kurs im Winterhalbjahr haben. Vorausgesetzt, die Bäder bleiben geöffnet. 

mh / Foto: Martin Heer


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