Insolvenz von Hello Fiber hat sieben Gemeinden kalt erwischt – Erneute Ausschreibung für Glasfaserausbau kostet Zeit

Die Firma Hello Fiber ist nach gut einem Jahr auf dem Markt schon wieder Geschichte: Das Unternehmen Liberty Networks Germany hat für sein Tochterunternehmen Insolvenz angemeldet – die Glasfaseraktivitäten wurden deshalb bundesweit eingestellt. Als Gründe für das Aus werden veränderte gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Inflation, Zinsniveau und steigende Ausbaukosten genannt. Die Pleite von Hello Fiber hat sechs Kommunen im Landkreis Esslingen und eine Gemeinde im Kreis Reutlingen kalt erwischt: Sie werden so schnell keine Anschlüsse ans schnelle Internet bekommen.
Der noch vor wenigen Monaten vollmundig angekündigte Ausbau des Glasfasernetzes in Beuren, Frickenhausen, Erkenbrechtsweiler, Großbettlingen, Kohlberg und Neuffen sowie Grafenberg liegt auf Eis. Bis Ende 2024 sollten den ursprünglichen Plänen von Hello Fiber zufolge dort rund 15 300 Haushalte Zugang zu einem der schnellsten Netze Deutschlands mit Downloadgeschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde erhalten. Für die Erschließung der Wohn- und Gewerbegebiete in dieser Region wollte das Unternehmen insgesamt rund 236 Kilometer Glasfaserleitungen verlegen. Der Aufbau der Infrastruktur, so hieß es noch im vergangenen Mai bei Liberty Networks Germany, werde unabhängig von der Vermarktung und rein privatwirtschaftlich erfolgen. Doch dazu kommt es jetzt nicht mehr.
Der überraschende Rückzug von Hello Fiber ist laut Frickenhausens Bürgermeister Simon Blessing eine herbe Enttäuschung, schließlich bemüht man sich seit Jahren um eine Verbesserung der unzureichenden Breitbandversorgung im Ort. „Noch in der letzten Sitzung des Gemeinderates im Dezember 2022 bestätigten Vertreter des Unternehmens, dass mit der technischen Umsetzung Anfang dieses Jahres begonnen wird und erste Kunden im Sommer 2023 schnelles Internet bekommen werden“, teilt er der Bürgerschaft auf der Internetseite der Gemeinde mit. Anfang des Jahres dann habe das Rathaus die Mitteilung erreicht, dass Hello Fiber den Ausbau des Glasfasernetzes komplett stoppt.
Die Nachricht hat auch den Zweckverband Breitbandversorgung Landkreis Esslingen überrascht. „Wir haben sie mit großem Bedauern aufgenommen“, sagt Geschäftsführer Markus Grupp. Beim Blick zurück ist jedoch eine gewisse Ernüchterung festzustellen: „Wir haben im Laufe des vergangenen Jahres bei verschiedenen Themen festgestellt, dass die Prozesse noch nicht so eingespielt sind wie bei etablierten Unternehmen, die schon seit Jahren im Ausbau tätig sind.“ Sowohl der Zweckverband als auch die Kommunen hätten das junge Unternehmen „in vielen Punkten daher umso mehr unterstützt, um die Prozesse zu optimieren“.
Die Pleite von Hello Fiber reißt laut Grupp zunächst eine Lücke in die ambitionierten Ausbauplanungen und -aktivitäten im Landkreis Esslingen: „Sie verursacht vor allem auch einen zeitlichen Versatz.“ Jetzt heißt es, alles zurück auf Anfang: Es müssten erneut Förderanträge gestellt werden, „die Suche und die Bewertung neuer Angebote beginnen von Neuem“. Die Firmen müssen sich dann mit ihrem Ausbaukonzept den jeweiligen Gemeinderäten vorstellen, die wiederum über die Vergabe zu entscheiden haben, erklärt der Geschäftsführer das Prozedere. Der gesamte Prozess dauerte bei Hello Fiber in Frickenhausen zum Beispiel mehr als zehn Monate. Der Zweckverband Breitbandversorgung befindet sich nun im engen Austausch mit den betroffenen Kommunen. „Dabei verfolgen wir zwei Lösungsansätze“, erläutert Markus Grupp. Zum einen werde man die zurückgestellten Förderanträge für Schulen, Gewerbegebiete und die sogenannten weißen Flecken, also Gebiete mit weniger als 30 Mbit pro Sekunde Downloadgeschwindigkeit, „wieder aktivieren und schnellstmöglich zur Ausschreibung bringen“. Zum anderen sei der eigenwirtschaftliche Wettbewerb für diese Kommunen wieder eröffnet, teilt Markus Grupp mit.
Der wichtigste Akteur im Glasfaserausbau in der Region Stuttgart ist die Telekom. Im Landkreis Esslingen will das Unternehmen eigenen Angaben zufolge in diesem Jahr Glasfaser in 17 Kommunen verlegen, um Schulen, Gewerbegebiete und Haushalte in bislang unterversorgten Gebieten mit modernen Internetanschlüssen zu versorgen.
eh / Foto: dpa