Neue Berechnungsgrundlage bringt Hoffnung für das seit 20 Jahren diskutierte Projekt zwischen Nellingen und Esslingen

Aufwand und Nutzen passen nicht überein. Wegen dieser Erkenntnis war es lange still um ein Projekt, das den Verkehr zwischen Filder und Neckartal deutlich entlasten könnte: die seit 20 Jahren diskutierte Verlängerung der Stadtbahn von Nellingen nach Esslingen. Jetzt kommt wieder Fahrt in die Diskussion. Grund dafür ist, dass es für das sogenannte standardisierte Verfahren, mit dem die Wirtschaftlichkeit eines Bahnprojekts geprüft wird, neue Kriterien gibt. Erstmals und nun gleich mit Gewicht werden beispielsweise die Barrierefreiheit, der Klimaschutz und Energiespareffekte durch Verlagerungen auf die Schiene berücksichtigt.
Was so viel heißt, dass das Vorhaben einen neuen Schub bekommen könnte. Bahnexperte Matthias Gastel, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, gibt sich optimistisch: „Letztlich steigen die Chancen, dass Investitionen in die Schiene aus Bundesmitteln förderfähig und tatsächlich zum Nutzen der Fahrgäste realisiert werden.“
Vor Kurzem abermals aufs Tapet gebracht hatte das Bahnprojekt der Landrat Heinz Eininger. In der Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses des Esslinger Kreistags berichtete er über die veränderten Vorzeichen. Gleichzeitig kündigte er an, dass der Landkreis, angestoßen durch die neuen Kriterien, im nächsten Jahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben werde. Diese soll beleuchten, ob sich das Bahnprojekt nun wirtschaftlich rechnet. Die Kosten für das Gutachten von rund 170 000 Euro übernimmt zu zwei Dritteln der Landkreis, die Restsumme verteilt sich je nach Größe auf die Städte Esslingen und Ostfildern.
Es sei richtig, sich das Vorhaben unter den geänderten Bedingungen nochmals anzuschauen und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen, sagt Ostfilderns OB Christof Bolay, denn ein Ringschluss zur S-Bahn in Esslingen wäre für alle ein Gewinn. Bolay erinnert daran, dass die Verlängerung der Stadtbahn bis nach Nellingen im Jahr 2000 der Entwicklung Ostfilderns einen erheblichen Schub gegeben habe. Vor allem der Erfolg des Scharnhauser Parks, in dem mittlerweile an die 9000 Menschen leben, wäre ohne den Anschluss an das regionale Bahnnetz nicht in der Form möglich gewesen.
Für Ostfilderns größten Stadtteil Nellingen, in dem die Stadtbahn bislang endet, würde das Bahnprojekt erhebliche bauliche Veränderungen bedeuten. Eine Festlegung auf eine bestimmte Variante habe es im Gemeinderat noch nicht gegeben, so Bolay. Ebenfalls vorsichtig optimistisch gibt man sich im Esslinger Rathaus. „Die Realisierungschancen der Stadtbahn hängen wesentlich von dem Ergebnis einer weiteren Untersuchung und dem daraus resultierenden Nutzen-Kosten-Indikator ab“, erklärt Pressesprecher Niclas Schlecht. In einer ersten Untersuchung habe der Nutzen-Kosten-Indikator unter 1 gelegen. Bei der zweiten Untersuchung im Jahr 2019 habe man mit der niedrigsten Kostenschätzung einen Nutzen-Kosten-Indikator von knapp über 1 erreicht, was eine Rentabilität bedeuten würde.
Daher können man gegenwärtig noch keine konkreten Aussagen zu den Realisierungschancen machen. Klar sei aber, dass die Stadtbahn eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt bedeutet, insbesondere die Verbindung Richtung Zollberg/Nellingen. Zudem sei es „ausdrücklich zu begrüßen, wenn die Filderkommunen durch eine Stadtbahn besser an die Kreisstadt Esslingen angebunden werden“, sagt Schlecht. Konkrete Gemeinderatsbeschlüsse zur Stadtbahn-Verlängerung gibt es bislang auch in Esslingen nicht. Doch würden bei den aktuellen Planungen die notwendigen Trassen frei gehalten, versichert Pressesprecher Schlecht. Zu nennen seien da insbesondere die Planungen zur städtebaulichen Neuordnung des Nürk-Areals in der Pliensauvorstadt.
Zuletzt hatten im Jahr 2019 die CDU-Stadtverbände Esslingen und Ostfildern das Thema bei einem Informationsabend in Nellingen aufgegriffen. Damals war von Kosten in Höhe von 178 Millionen Euro die Rede. Egal, welche Variante zum Zug käme: Gut ein Viertel der Strecke müsse man wegen der Höhenunterschiede in Tunneln verlegen.
hf / Foto: Stadtarchiv Ostfildern