Nach dem Aus für den „Wurstkessel“ im November macht in Baltmannsweiler nun die Familie Stegmaier ihren Laden zu

Am 11. Februar ist endgültig Schluss. Dann schließt auch der letzte „Stegi“ seine Türen für immer. Die Rede ist vom Fachgeschäft für Schreib-, Spiel- und Haushaltswaren, das die Familie Stegmaier 60 Jahre lang in Baltmannsweiler betrieben hat. Damit geht auch das Stegmaier-Stammgeschäft vom Markt. Alle Filialen waren bereits geschlossen worden. In Baltmannsweiler ist das die zweite Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts in wenigen Monaten, nachdem bereits Ende November Torsten und Verena Scharpf ihren Lebensmittelladen mit Metzgerei, bekannt als „Wurstkessel“, aufgegeben hatten.
„Seit ein paar Jahren ist der Laden nicht mehr profitabel“, begründet Manfred Stegmaier die Entscheidung, die er gemeinsam mit seinem Bruder Stefan getroffen habe. Die Frage, ob die Schließung typisch für den Niedergang des stationären Einzelhandels sei, bejaht der Betriebswirt zunächst, korrigiert dann aber seine Bewertung. Er wolle das Ganze eher positiv beschreiben und von einem Wandel sprechen, erklärt Manfred Stegmaier, der für den Familienbetrieb bis heute die Bücher führt, während sein Bruder Stefan als Einzelhandelskaufmann und Inhaber für das operative Geschäft zuständig ist. Manfred Stegmaier spricht vom veränderten Kaufverhalten der Kundschaft. Das habe sich seit Ende der 1980er-Jahre abgezeichnet, als die Ladenöffnungszeiten abends verlängert wurden. Auf einmal war es für Familien möglich, nach Feierabend freitags gemeinsam zum Erlebniseinkauf in die Stadt loszuziehen.
In Baltmannsweiler habe sich die Bewegung der Kundschaft weg vom Ortszentrum aber erst mit dem Bau des neuen Edekas an der Landesstraße vor elf Jahren abgezeichnet. Bis dahin habe ihr Laden in der Reichenbacher Straße an einer Art kleinem Marktplatz gelegen. Doch auch das ist längst Geschichte: der Metzger nebenan verstarb ohne Nachfolger, im ehemaligen „Rössle“ machte der kleine Lebensmittelladen dicht, Jahre zuvor schon zog der kleine Edeka einige Hundert Meter weiter und musste als „Wurstkessel“ nun – wie erwähnt – aufgeben.
Auch für die Stegmaiers ist der große Einzelhändler zum Problem geworden. „Edeka verkauft zu unseren Einkaufspreisen“, erläutert Manfred Stegmaier. Während früher das Ortszentrum wie ein Magnet gewirkt habe, ziehe es die Kundschaft nun an den Ortsrand. „Warum soll der Kunde nach Baltmannsweiler reinfahren, wenn er den Kochlöffel auch bei Edeka bekommt“, fragt Stegmaier, der als Geschäftsführer eines internationalen Konzerns arbeitet. Ohne Laufkundschaft könne man aber nicht existieren. Wegen der guten Stammkundschaft und des Teams, das sich „für den Laden zerreiße“, sei ihnen die Schließung nicht leicht gefallen.
„Die Kundschaft ist hier sehr treu“, bestätigt Brigitte Schreiter. Sie stand mehr als 30 Jahre für die Stegmaiers hinter der Ladentheke und zählte genauso wie Carmelo Burtone zur Stammbelegschaft im Wernauer Stegmaier am Stadtplatz, bevor die Konkurrenz der Discounter und Drogeriemärkte die Filiale 2020 unrentabel machte. Bereits ein Jahr zuvor war der Plochinger Betrieb eingestellt worden. Ihr kürzestes Gastspiel gaben die Stegmaiers in den 1990er-Jahren in Reichenbach, wo sich ihr Spielwarengeschäft nach drei Jahren nicht mehr lohnte. Dabei seien die 80er- und 90er-Jahre die beste Zeit gewesen, erinnern sich die beiden Brüder. 1994 habe die Mutter, die noch bis ins hohe Alter mitarbeitete, den Laden übergeben. Immer größer sei der bürokratische Aufwand geworden. Als kleiner Einzelhändler müsse man wegen der digitalen Kassensysteme gleichzeitig EDV-Fachmann sein. Das zermürbe zusätzlich.
Aber flexibel wollen die beiden Brüder auch künftig bleiben, betont Stefan Stegmaier. Er will nicht nur den Abverkauf der Waren aus Baltmannsweiler über seinen Onlineshop organisieren, sondern auch den Verkauf von Schulbüchern ins Netz verlagern und dabei den individuellen Service, den man als kleiner Betrieb bieten könne, beibehalten. Über die Jahre hätten sich enge Kontakte zu Schulen entwickelt. Was mit dem Laden passiert, ist unklar. Eilig haben es die Brüder in dieser Frage nicht, denn das Gebäude ist Familieneigentum.
com/hin / Foto: Roberto Bulgrin