„Verfehlte Politik“

Tafeln im Kreis verlangen Gerechtigkeit für alle Bedürftigen

Der Tafelladen in Essen hat aufgrund großer Nachfrage zeitweilig Bedürftige ohne deutschen Ausweis nicht mehr versorgt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat behauptet, die Bezieher von Hartz IV seien nicht arm. Die Träger der  Tafeln im Kreis Esslingen kritisieren dies als „Politik auf Kosten der Armen“. Sie wollen alle Bedürftigen gerecht behandeln und fordern ein Umdenken in der Sozialpolitik.

„Wir unterscheiden nicht nach Herkunft, nach Pass oder Hautfarbe. Entscheidend ist für uns die Bedürftigkeit“, stellt Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands (KDV) Esslingen, klar. Der KDV, der Caritas-Verband Fils-Neckar-Alb und der DRK-Kreisverband sind Träger der  Tafelläden in Esslingen, Filderstadt, Kirchheim, Leinfelden-Echterdingen, Nürtingen, Ostfildern, Wendlingen und Wernau. Mit der Einführung der aktuellen Sozialgesetzgebung im Jahr 2005 sei die Zahl der Bedürftigen im Landkreis rapide angestiegen, die Tafelläden hätten deutlich mehr Kunden, sagt Haußmann.

Knapp 4700 Kunden sind bei den Tafeln im Kreis derzeit registriert. „Doch wir erreichen längst nicht alle. Manche kommen aus Scham nicht und viele können sich die Busfahrt aus dem Umland zu den Läden in den Städten nicht leisten“, sagt Haußmann. Jens Spahns Äußerungen seien daher inakzeptabel. „Es ist eine schwere Kränkung der Betroffenen. Sich auf Kosten der Armen in die Schlagzeilen zu manövrieren ist schlicht unmöglich“, stellt Haußmann fest.

Tanja Herbrik, Fachbereichsleiterin Armut und Beschäftigung im KDV, Klaus Rau, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands, und Caritas-Bereichsleiter Sven Parylak bestätigen, dass es auch in den Läden im Landkreis Esslingen Schwierigkeiten mit Geflüchteten gegeben hat. Das habe mit Sprachbarrieren und  Unkenntnis über das Prinzip der Tafeln zu tun gehabt. Dank intensiver Kommunikation habe sich das jedoch eingespielt, betont Herbrik. „Wir können durchweg feststellen, dass die Geflüchteten sehr hilfsbereit sind, ältere Menschen oder Leute mit Rollator auch vorlassen. Es ist klar, dass niemand bevorzugt wird.  Arm ist arm. Da eine Wertung zu machen wie in Essen, halten wir für unethisch“, sagt Herbrik.

Haußmann hält überdies an grundsätzlichen Überzeugungen fest. „Tafeln sind Ausdruck einer verfehlten Sozialpolitik. Unsere Grundforderung bleibt, dass Menschen monetär so ausgestattet werden müssen, dass sie ganz normal einkaufen gehen können.“ pst / Foto: pst


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