Viele Herausforderungen

Esslingens OB Matthias Klopfer stimmt Bürger auf schwierige Zeiten ein – Sanierungsstau in dreistelliger Millionenhöhe

Sechs Monate nach seinem Amtsantritt hat der Esslinger OB Matthias Klopfer Gemeinderat und Bürgerschaft in einer Grundsatzrede in der vergangenen Woche auf schwierige Zeiten eingestimmt. Esslingen habe über seine Verhältnisse gelebt – ein Sanierungsstau im dreistelligen Millionenbereich, stark steigende Kosten und stagnierende Gewerbesteuereinnahmen verlangten ein Umsteuern. Die Stadt müsse neue Prioritäten setzen und sich mehr ihren Pflichtaufgaben und der konkreten „Alltagsverbesserung“ zuwenden. Die Modernisierung der Stadtbücherei will Klopfer vorerst in die 30er-Jahre verschieben.
Der OB sieht nicht erst seit dem Ukrainekrieg viele Gründe, „innezuhalten, sich neu zu sortieren und alle Planungen und Strategien für die nächsten Jahre auf den Prüfstand zu stellen“. Die Stadt brauche eine ehrliche Analyse. Klopfer weiß: „Wenn Leistungen gekürzt, Bauprojekte gestoppt oder geschoben, Gebühren regelmäßig angehoben werden, führt das zu Unruhe – aber wenn wir ehrlich miteinander umgehen, vielleicht auch zu einer neuen Gemeinsamkeit.“ Gemeinsam werde der Richtungswechsel gelingen, wenn man sich von Gemeinwohl und Nachhaltigkeit leiten lasse.
Klopfer zeichnete ein ernüchterndes Bild dessen, was er in Esslingen vorgefunden habe: „Einen großen Sanierungsstau. Projekte, die nicht oder nicht richtig geplant sind und damit in keinem Haushalt zu finden sind. Nachvollziehbare Wünsche und ambitionierte Projekte, die wir uns aber nicht leisten können.“ Manche Zuhörer meinten hinterher, sie hätten sich an den OB-Wahlkampf erinnert, als Klopfers Kontrahent Daniel Töpfer ein ähnlich kritisches Bild gezeichnet hatte.
Beim Blick auf alle geplanten Neubauprojekte und Sanierungsaufgaben habe sich ein Sanierungsstau gezeigt, den er so nicht erwartet habe, erklärte Klopfer. Nun kämpfe man in Hochbau, Tiefbau und bei Brücken mit einem Sanierungsbedarf im dreistelligen Millionenbereich bei rapide steigenden Baukosten, steigenden Zinsen und stagnierender Gewerbesteuer. Vermutlich müsse sich die Stadt von Immobilien trennen und jeden Neubau kritisch hinterfragen. Die Verwaltung wolle den Sanierungsstau Stück für Stück abbauen und sich bewusst sein, „dass jedes Jahr neue, teilweise auch nicht zu planende Sanierungsaufgaben hinzukommen werden“.
Rapide steigende Baukosten kommen hinzu – etwa bei der Stadtbücherei, wo man von etwa 25 Millionen Euro ausgegangen war und nun mit mehr als 60 Millionen Euro rechnet. Die Zollberg-Realschule war mit 13 Millionen Euro veranschlagt und soll nun auf mehr als 30 Millionen Euro kommen. Teilweise sei das auch damit zu erklären, dass die Kosten nicht fortgeschrieben worden seien. „Da müssen wir besser werden“, schrieb der OB der Verwaltung ins Stammbuch. Klar ist für ihn: „Unsere Kinder sind nur einmal in der Schule. Wir können nicht zehn Jahre später sagen: ‚Jetzt ist Eure Schule saniert.’ Das erfordert alle unsere Kraft.“
Klopfer sieht in vielen Bereichen höhere Kosten auf die Stadt zukommen – von der Energie bis zum Personal. „Wir können nicht wie der Bund die Schuldenbremse lösen, haben keine milliardenschweren Rücklagen wie das Land und können Steuern und Gebühren eigenständig nur sehr begrenzt erhöhen“, bedauerte er. Dennoch habe man Möglichkeiten: „Wie zum Beispiel unsere Verwaltung konzentrieren, neue Arbeitswelten für unsere Mitarbeitenden gestalten, frei werdende städtische Immobilien verkaufen, um die laufenden Kosten zu reduzieren.“ Dazu gehöre auch, zu überlegen, wer im Konzern Stadt welche Aufgaben am besten erledigen könne. Ein Energie-Effizienz-Sofortprogramm könne Entlastung bringen, die Betreuungszeiten in Kitas sollen auf den Prüfstand gestellt und Gebühren sozial ausgewogen angepasst werden.
Die soziale Balance ist dem OB wichtig. Bei allen negativen Vorzeichen findet Klopfer: „Die Lage ist nicht rosig, aber wir leben weiterhin in einer wohlhabenden Stadt, in einer der schönsten Städte Deutschlands. Mit reichem Erbe. Und mit einer guten Zukunft, wenn wir gemeinsam die Weichen richtig stellen.“

adi / Foto: Roberto Bulgrin


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