Vom Kosovo nach Baltmannsweiler

Ausbildungsprojekt der Diakonie zur Gewinnung von Pflegefachkräften aus Drittstaaten  – Rafaella Markaj ist die 500. Azubi

Seit rund vier Wochen  ist  die bald 19-jährige Rafaella Markaj  in Deutschland. Sie  kommt aus dem Kosovo, hat dort schon drei Jahre in der Pflege in einem  Krankenhaus gearbeitet. Dass sie  im Seniorenzentrum der Zieglerschen in Baltmannsweiler jetzt eine dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin antreten  kann, war ihr großes Ziel. In ihrer Heimat musste sie sich vorher  einem Bewerbungsgespräch unterziehen.  Und sich ein Jahr lang auf ihre Ausbildung in Deutschland vorbereiten.    Dazu gehörte vor allem, noch in ihrem Herkunftsland    Deutsch zu lernen.  Von den Kosten für die Sprachkurse  hat sie  900 Euro selbst übernommen.  Rafaella Markaj ist die  500. Azubi, die an dem internationalen Ausbildungsprojekt der   Diakonie Württemberg teilnimmt. 

Das „bundesweite Leuchtturmprojekt“ für die Gewinnung von Pflegefachkräften hat   Oberkirchenrätin  Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg,  zusammen mit Vertretern der Träger, Einrichtungen und  jungen Projektteilnehmer  kürzlich im Diakonischen Institut für Soziale Berufe in Esslingen dem Migrationsstaatssekretär  Siegfried Lorek  vorgestellt.  Denn die dreijährige duale Ausbildung „führt zu einer  schnellen beruflichen und gesellschaftlichen Integration und ist ein  erfolgreiches Angebot der legalen und sicheren Migration für junge Menschen aus Drittstaaten“. Und eine von vielen notwendigen Antworten auf den Pflegenotstand.

Mit fünf Trägern und  27 Auszubildenden hat es   2015  begonnen.  Heute wird es von einem   Konsortium von 15 Trägern der Diakonie und drei Trägern der Caritas gelenkt. Angefangen hat es  mit  jungen Menschen  aus dem Kosovo, die man für die Pflegeausbildung in Deutschland gewinnen wollte.   Inzwischen reisen sie auch aus Bosnien und Herzegowina, Albanien und der Ukraine zur Ausbildung in Baden-Württemberg ein.  Seit  diesem Jahr können  auch Interessierte aus Armenien und Georgien zum Zug kommen. 

Zielgruppe sind arbeitssuchende Absolventen von Mittelschulen und Gymnasien im Alter zwischen 19 und 30 Jahren.  „Ich hatte in meiner Heimat keine Chance auf einen Studienplatz. Und meine Eltern konnten mich  finanziell auch nicht unterstützen“, erzählt  Deni Kadric aus Bosnien-Herzegowina, der mit  Markaj und rund 100 weiteren Neuankömmlingen  jetzt  seine Ausbildung begonnen hat. Das Projekt  ist dezentral mit über 120 Einrichtungen und 25 Fachschulen in Baden-Württemberg organisiert. Es finanziert sich ausschließlich über die teilnehmenden Träger und Einrichtungen sowie den einmaligen Eigenbetrag  der Teilnehmenden  für die Deutschkurse.

 Von den bisher 400 Auszubildenden der ersten sechs Jahrgänge haben inzwischen fast 200  die Prüfungen zur Fachkraft geschafft und arbeiten jetzt in der Alten- oder  Krankenpflege. Zuletzt war die Pflegeausbildung bundesweit  mit einer Abbrecherquote von 30 Prozent in die Schlagzeilen gekommen. Bei dem Projekt   liegt sie bei   lediglich plus/minus fünf Prozent.

Dazu trägt   auch ein hohes Engagement der Projektverantwortlichen und  Mitarbeitenden in den Einrichtungen bei: Die jungen Menschen werden  in ihrer neuen Heimat  mindestens vier Monate lang  intensiv begleitet.  „Ich konnte sogar bei meiner Chefin wohnen“, berichtet Vjosa Xhemajli (31) aus dem Kosovo, seit wenigen Tagen examinierte Fachkraft im Seniorenzentrum Baltmannsweiler.  Sie hat  ihre  Arbeitserlaubnis schon in der Tasche.  Florina Brahimi und Florjan Kuqi, die ihre Ausbildung im Palmschen Garten in Deizisau  abgeschlossen haben, hängen indessen noch in der Warteschleife – obwohl auch sie  sämtliche  Unterlagen eingereicht haben. „Kein Zeichen für Willkommen“, ärgert sich Noller. Überhaupt kämpfe das Projekt  immer wieder mit administrativen Hürden.  Und  die Politik  solle nicht nur die Anwerbung von  Fachkräften aus dem Ausland finanziell unterstützen, sondern auch die von Azubis.  Zumal die Projektidee  auch auf  andere Mangelberufe übertragen  werden könnte – etwa in den Erzieherinnen- und Erzieherbereich.

Lorek hat  die Wünsche  nach Stuttgart mitgenommen – auch wenn das Land   nicht immer der entscheidende Ansprechpartner dafür sei. Mit dem   noch jungen  Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei die Politik auf dem richtigen Weg –  „der  ist  aber  noch ausbaufähig“. 

biz / Foto: Horst Rudel


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