Vor den Gleisen spielt die Musik

In Plochingen hat der Blasmusikverband Baden-Württemberg sein rund 24 Millionen Euro teures Musikzentrum eröffnet

Es ist vollbracht: Nach zweieinhalbjähriger  Bauzeit  ist vergangenen  Freitag in Plochingen das neue Musikzentrum eröffnet worden. Der Blasmusikverband Baden-Württemberg bringt dort seine  Aus- und Weiterbildungsstätte für die Amateurmusik unter. 

Das  Musikzentrum auf dem  Grundstück zwischen Bahngleisen und  Eisenbahnstraße    vernetzt zugleich zahlreiche Verbände im Bereich der Laienmusik. Denn neben den Proben- und Seminarräumen und einem separaten Bettenhaus  mit 52 Zimmern  sind in dem architektonisch  anspruchsvollen Komplex des Stuttgarter Büros LRO Lederer, Ragnarsdóttir und Oei Büros für  40 Menschen entstanden. Dort sind  neben dem Blasmusikverband   zahlreiche weitere  regionale und überregionale Verbände beheimatet – wie etwa der  Schwäbische Chorverband, die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, der Landesmusikverband Baden-Württemberg,   der Kreisverband Esslingen oder  der Chorverband Karl Pfaff.   Das Musikzentrum löst die 2016 geschlossene Bildungseinrichtung des Blasmusikverbands in Kürnbach ab.

Noch sind  nicht alle Rechnungen eingelaufen, doch  Verbandspräsident Rudolf Köberle  hofft, dass man am Ende bei  24 Millionen Euro liegen wird. Also 1,6 Millionen über dem Kostenplan  von 2018.  11,8 Millionen Euro  übernimmt das Land.    Massive Erschwernisse, darunter eine Preisindexsteigerungsrate  von 15 statt wie ursprünglich kalkuliert vier Prozent und die Auswirkungen der Coronapandemie,   trieben die Kosten in die Höhe. Die   1428 Musikvereine des Verbands haben sich mit rund einer Million Euro  beteiligt, der Verband hat Rücklagen und Grundstückserlöse von rund vier Millionen eingebracht. 

 Dass Baden-Württemberg  das Musikland Nummer eins sei, komme nicht von ungefähr, unterstrich Köberle. „Unser neues Musikzentrum bietet die Antwort auf all das,  was die mehr als 100 000 Musizierenden  in unseren gut 1400 Vereinen heute brauchen.“    Das reicht von der  neukonzipierten Dirigentenausbildung der verbandseigenen Bläserakademie über die  Stärkung des ehrenamtlichen Vereinsmanagements bis zu Seminaren zu Herausforderungen der Orchesterarbeit. Mittelpunkt und Heimat  soll die neue Adresse für die Amateurmusik im Land werden,  Dienstleistungszentrum und „Kaderschmiede“ für gut ausgebildete   Führungskräfte zugleich.  Und ganz wichtig: „Musik  braucht  auch einen  Ort der Kommunikation“, betont Köberle.  „Wir können nur auf Sicht fahren.  Aber wir müssen die Spielräume nutzen, die sich uns bieten. Es wird ein zentrales Thema dieses Hauses sein,  was mit und nach Corona passiert.“ Die Pandemie hinterlasse  tiefe Spuren bei Qualität und  Quantität.   „Uns fehlen in der Nachwuchsförderung zwei ganze Jahrgänge.“  

Auch die Kunststaatssekretärin Petra Olschowski (Grüne) misst dem  neuen Musikzentrum noch mehr Bedeutung bei als  vor der Pandemie. Die Eröffnung  sei ein ganz starkes Zeichen  für die gesamte Kulturszene.  Der  Landeszuschuss zeige die Wertschätzung für die „hervorragende Arbeit  in den Verbänden“.   

Die Begeisterung aller  galt dem Büro LRO, das 2016 den Architektenwettbewerb  für das  Musikzentrum gewonnen hatte.  Jórunn Ragnarsdóttir  schilderte, wie die Architekten auf dem verkehrsgünstig  gelegenen, aber  herausfordernden Grundstück  in einem Gewerbegebiet dem   zweiteiligen Ensemble mit  abgerundetem Zugang zum Innenhof und einer hellen Ziegelfassade  eine Silhouette  gegeben haben,  die auch den Durchreisenden im Zug angenehm ins Auge fällt. Innen Parkett  und tiefe Fenster – aber immer nur nach einer Seite, um die Energie im Gebäude zu halten.  „Als wir das Grundstück  2009 von der Bahn erworben haben,  war hier ein Schrottplatz in Auflösung.  Wir wollen die Stadtkante an der Bahn neu definieren“, stellt der Plochinger Bürgermeister Frank Buß  in Aussicht, dass die beiden  Nachbargrundstücke auch eine adäquate Nutzung bekommen werden. Der Schultes erhofft sich angesichts von   20 000 angepeilten  Übernachtungen pro Jahr  auch Impulse für Gastronomie und Handel in der  Innenstadt.  biz/Foto: Roberto Bulgrin


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