In der Esslinger Weststadt wird eines von bundesweit sechs städteplanerischen Leuchtturmprojekten eröffnet

Auf dem Gelände des ehemaligen Esslinger Güterbahnhofs hält die Zukunft Einzug: Mit dem sogenannten Klimaquartier in der Neuen Weststadt ist vergangene Woche ein bundesweit einmaliges Leuchtturmprojekt eröffnet worden. Dort werden neue Energiekonzepte erprobt, die einen Beitrag zur Energiewende leisten sollen. Herzstück des Vorzeigeviertels ist eine Energiezentrale, in der grüner Wasserstoff produziert und sogar die Abwärme aus dieser Produktion genutzt wird.
Wer auf den Dächern der Wohnhäuser in Block D der Neuen Weststadt steht, kann nicht nur den Ausblick auf Stadt und Weinberge genießen, sondern auch einen zentralen Eckpfeiler des Energiekonzepts in dem Quartier bewundern. Denn die Gebäude sind mit Fotovoltaikanlagen geradezu gepflastert. Kein Wunder: Die Solarenergie wird sowohl für die Stromversorgung der Bewohner gebraucht als auch für die Wasserstoffproduktion. Letztere entsteht durch Elektrolyse. Dabei fällt Abwärme an, die wiederum rund 50 Prozent der Wärmeversorgung in dem Quartier decken soll. „Das ist absolut innovativ, das gibt es so noch nicht in Deutschland“, betont der Projektleiter Norbert Fisch.
Seit Januar 2019 entsteht auf einer Fläche von rund 100 000 Quadratmetern die „Neue Weststadt“ mit 450 Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen sowie dem Neubau der Hochschule Esslingen. Das als innovativ und nachhaltig geltende Klimaquartier ist eines von bundesweit sechs städteplanerischen Leuchtturmprojekten, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden.
Das mit rund elf Millionen Euro Bundesmitteln geförderte Quartier integriert die Nutzung von „grünem Wasserstoff“ – mit dem Ziel, pro Bewohner einen jährlichen CO2-Ausstoß von unter einer Tonne für Wohnen und Mobilität zu erreichen. Insgesamt soll das Stadtviertel dazu beitragen, dass die CO2-Emissionen in Esslingen um ein Viertel reduziert werden. Damit leiste das innovative Stadtviertel einen echten Beitrag zur Energiewende, ist man im Rathaus überzeugt.
Kernstück des technologisch innovativen Stadtquartiers ist das energetische Versorgungskonzept, das eine Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Kälte und Mobilität vorsieht. Ein Elektrolyseur wandelt überschüssigen erneuerbaren Strom in Wasserstoff um und macht die Energie auf diese Weise speicherfähig. Werde später wieder Strom im Quartier benötigt, lasse sich der Wasserstoff klimaneutral in Blockheizkraftwerken wieder rückverstromen, heißt es. Darüber hinaus soll der lokal erzeugte Wasserstoff auch für quartiersfremde Nutzer bereitgestellt werden. Unter anderem sollen die O-Busse des SVE zum Teil damit gespeist werden. Zudem sind eine Wasserstoff-Abfüllstation, eine Wasserstoff-Tankstelle und eine Gasnetz-Einspeisestation im Quartier geplant. Langfristig will man noch weiter gehen und den grünen Wasserstoff etwa der lokalen Industrie zur Verfügung stellen.
Oberbürgermeister Jürgen Zieger zeigte sich bei der Eröffnung höchst zufrieden: „Das hässliche Entlein Güterbahnhof hat sich in einen schönen Schwan verwandelt.“ Er sei glücklich und stolz angesichts des innovativen Energiekonzepts in dem Vorzeigeviertel, so Zieger. Allerdings sei diese Wandlung nicht vom Himmel gefallen, sondern nur mit viel Arbeit erreicht worden. Projektleiter Fisch betonte: „Der Weg zur Klimaneutralität kann nur über solare Wasserstoff-Wirtschaft führen. Im Klimaquartier Neue Weststadt können wir zeigen, dass sich diese Technologie auch auf kommunaler Ebene erfolgreich in Bauprojekte eingliedern lässt und so zur notwendigen Energiewende beitragen kann.“
Zu den geförderten Leuchtturm-Projekten in Deutschland gehören neben der „Neuen Weststadt“ in Esslingen ähnliche Projekte in Heide, in Stuttgart (Olgahospital) und Überlingen, in Kaiserslautern, Zwickau und Oldenburg. Esslingen sei den anderen aber weit voraus, betonten OB Zieger und Projektleiter Fisch. meb / Foto: Roberto Bulgrin