Weniger Ware, mehr Nachfrage

Immer mehr Menschen strömen in die Tafelläden im Kreis Esslingen – Es trifft die Ärmsten der Gesellschaft

Als sie im Herbst die spärlich befüllten Regale im Esslinger Tafelladen gesehen habe, sei sie erschrocken, erinnert sich Sabine Eckert. Seitdem tut die Esslingerin ihr Möglichstes, um die Einrichtung der Caritas zu unterstützen. Derzeit kaufe sie zwei bis drei Mal pro Woche für die Caritas ein und spende Lebensmittel wie Kartoffeln, Wurst oder Käse. Vor kurzem veröffentlichte sie sogar auf Ebay-Kleinanzeigen, einem schwarzem Brett im Internet, einen Aufruf. „Wer kann noch haltbare Lebensmittel spenden?“, heißt es darin. „Den meisten von uns geht es gut. Was ist dabei, im Angebot mal ein Päckchen Nudeln oder Reis mehr zu kaufen?“
Zwar herrsche noch keine Not, erklärte Mitte Januar Roswitha Marin, die stellvertretende Marktleiterin der Carisatt-Tafel in der Neckarstraße; dorthin sollten die Sachspenden laut Eckerts Aufruf gebracht werden. Doch Marin blickt mit Bauchschmerzen in die Zukunft. Bereits ab 8.30 Uhr stünden teils 50 Kunden vor dem Laden, um ein möglichst breites Sortiment vorzufinden. Drei Stunden bevor das Geschäft öffnet. Immer mehr Menschen, die besonders stark unter den gestiegenen Lebenskosten leiden, kaufen in der Einrichtung ein. Ein Großteil davon seien Geflüchtete aus der Ukraine, stetig landen neue Anmeldungen auf dem Schreibtisch von Marin.
Auch Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands des Landkreises Esslingen, berichtet von einem starken Ansturm auf die Tafelläden. Etwa 30 Prozent mehr Kunden verzeichneten die von der Diakonie betriebenen Geschäfte in Ostfildern, Bernhausen und Leinfelden-Echterdingen. „Und in Bezug auf die gestiegenen Energiekosten erwarten wir auch keine Entspannung“, sagt Haußmann. Sorgen bereiten den Helfern der Diakonie, dass die Lieferungen der Supermärkte abnehmen. Das komme zu großen Teilen daher, erklärt der Chef der Kreisdiakonie, dass sich das Warenmanagement der Discounter verbessere. Es bleibt also weniger übrig. Das trifft die Tafeln schwer – und damit die Bedürftigen.
„Armut ist ein hartes Brot“, sagt Haußmann. So könne die Einführung des Bürgergelds, und damit das höhere Einkommen von Langzeitarbeitslosen, die gestiegenen Kosten bei Weitem nicht ausgleichen. „Diese Leute haben keine Rücklagen. Wenn dann mal die Waschmaschine kaputt geht, dann ist das für die Familien häufig eine Katastrophe“, so seine Erfahrung. Dankbar seien er und seine Kollegen für die vielen Spenden, die sie in der vergangenen Zeit bekommen hätten. Diese hätten nämlich nicht abgenommen. „Das ist eine schöne Kultur im Kreis Esslingen“, sagt der Geschäftsführer, „dass Menschen mit dem Auto vorfahren und Einkäufe für die Tafel vorbeibringen.“ Aber auch Geldspenden helfen den Einrichtungen, den Betrieb am Laufen zu halten – selbst, wenn es nur fünf Euro sind.
In der Esslinger Carisatt-Tafel fehlt es derzeit neben Waren wie Obst und Gemüse, die saisonal im Winter schwieriger zu bekommen sind, vor allem an Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker, Salz, Nudeln, Reis und Konserven. Auch Produkte wie Zahnpasta, Duschgel, Wasch- oder Spülmittel seien sehr willkommen. Es gebe zwar Tage, an denen das Lieferauto des Sozialmarktes voll sei, sagt Roswitha Marin. Genauso komme es auch vor, dass nur wenige Waren zusammenkommen. „Wir können alles brauchen. Von der Zahnbürste bis zur Babynahrung.“
Das Ebay-Gesuch von Sabine Eckert ist inzwischen mehr als 1100 Mal aufgerufen worden. Die Esslingerin hat auch schon Rückmeldung bekommen – positive wie negative. „Jeder Mensch kann in die Armut abrutschen“, sagt Eckert. Deshalb sei es so wichtig, die Bedürftigen zu unterstützen. „Wir sollten die Augen aufmachen“, sagt sie.

Die Tafeln unterstützen
Spenden: Wer den Tafeln mit Sachspenden helfen möchte, erkundigt sich am besten im Vorfeld, welche Artikel benötigt werden. Grundsätzlich sind aber viele Waren willkommen, vor allem lang haltbare Lebensmittel wie Konserven, Nudeln oder Kaffee. Auch ehrenamtliche Helfer, die mit anpacken, werden gesucht.
Einkaufen: Um eine Kundenkarte der Carisatt-Tafel in Esslingen zu bekommen, muss man bestimmte Nachweise zum Lebensunterhalt vorlegen. Dazu zählen Dokumente zu Bürgergeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung. Auch Geringverdiener und alleinerziehende Eltern können dort einkaufen; genau wie Eltern, die mehrere Kinder zu versorgen haben, oder Menschen, die nur eine bescheidene Rente beziehen.  

dcb / Foto: Roberto Bulgrin


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