Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen: Jährlich fehlen 20 000 Fachpflegekräfte
Es ging um Digitalisierung, Vernetzung und Menschlichkeit: Kürzlich haben sich 75 Geschäftsführer und Betriebsleiter kommunaler Pflegeeinrichtungen in Esslingen zu einem Bundeskongress getroffen. Das Bild, das dabei von der Pflege in künftigen Zeiten entworfen wurde, kann kaum optimistisch stimmen. Einer zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen steht demnach weniger Fachpersonal gegenüber. Heime werden nicht umhinkommen, moderne Techniken, aktuelle Dienstleistungen einzusetzen, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten.
Otto B. Ludorff, Vorsitzender des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) fasste die Situation in Zahlen zusammen: „In unserer Branche fehlen jährlich 20 000 Fachpflegekräfte.“ Das sei eine katastrophale Entwicklung, zumal Hochrechnungen ergeben würden, dass sich das jährliche Defizit bis 2030 auf 300 000 fehlende Kräfte beziffern ließe.
„Die Situation wird nicht ausreichend auf Bundesebene thematisiert“, klagte Ludorff. Denn die fehlenden Arbeitskräfte können ohne Unterstützung aus dem Ausland nicht aufgebracht werden. Das nannte Ludorff als einen der Gründe, warum der Verband dringend ein Einwanderungsgesetz fordert. Thema bei dem Kongress waren auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Hohe Belastungen und schlechte Bezahlung machten die Akquise von neuem Personal schwierig. Die Vertreter der Pflegeeinrichtungen kritisierten auch die künftige Art der Ausbildung. Die geplante Generalistik in der Ausbildung lasse keine Fokussierung auf die Altenpflege mehr zu. „Die gut ausgebildeten Fachpflegekräfte gehen in die Krankenpflege und fehlen uns in der Altenpflege“, erklärte Ludorff. Stattdessen forderte er eine spezialisierte Altenpflegeausbildung.
Ein weiteres Thema des Kongresses war die Digitalisierung und wie sie in der Pflege nützlich sein könnte. Die Ideen, die Wissenschaftler vorstellten, reichten von der Möglichkeit interaktiver Kommunikation mit den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen bis zum Einsatz von Elektronik in Pflegeabläufen. Das könnte der Roboter sein, der einzelne Pflegehandlungen übernimmt oder über Sprachbefehle Hilfen aktiviert. Oder auch die Fußmatte, die Bewegungen des Heimbewohners registriert und an das Personal weiterleitet. Ludorff sagte dazu: „Ich kann mir vorstellen, dass Teile der Pflege von Robotern übernommen werden können, zum Beispiel die Medikamentenausgabe.“
Alle Kongressbeteiligten waren sich einig, dass der Einsatz von Maschinen und Technik nicht dazu dienen kann, Personal einzusparen, sondern um dem Personal Freiräume für persönliche Zuwendungen zu schaffen. Digitalisierung soll immer eine Assistenzfunktion ausüben.
Thilo Naujoks, der Geschäftsführer der Städtischen Pflegeheime Esslingen, brachte es auf den Punkt: „Pflege muss in erster Linie analog bleiben.“ Naujoks brach eine Lanze für die kommunalen Heime, die nur etwa fünf Prozent aller Pflegeeinrichtungen ausmachen, aber Strahlkraft auf andere Träger besäßen. Naujoks verwies auf die gute Bezahlung der Pflegekräfte in den städtischen Heimen. Private und Wohlfahrtsträger lägen mit ihren Löhnen mit bis zu 30 Prozent unter denen der kommunalen Träger. „Wenn man die Menschen in der Pflege anständig bezahlt, dann bekommt man auch die Fachkräfte.“ Die Erfahrungen zeigten, dass sich viele andere Träger an den kommunalen Trägern orientierten.
In dem Verband sind 50 kommunale Träger von Pflegeeinrichtungen in Deutschland organisiert. Sie stehen etwa 220 Heimen vor, in denen es 19 000 Plätze gibt. bob
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