Gradmann-Stiftung investiert in Ruit sieben Millionen Euro – Einrichtungen sollen bei Personalsuche unterstützt werden

Lange ließen viele Ruiter kein gutes Haar am Vorhaben der Gradmann-Stiftung, die Ecke Kirchheimer/Hedelfinger Straße mit einem Wohn- und Geschäftshaus zu bebauen. Die Kritik ist verstummt und eher ins Gegenteil umgeschlagen. Oberbürgermeister Christof Bolay geriet anlässlich der Einweihung förmlich in Verzückung: ein „sensationelles Gebäude“ sei entstanden. Vor allem von den Wohnungen sei er beeindruckt. Doch nicht Zuschnitt und Lage sind besonders, sondern die Nutzung. Die 14 Wohnungen werden zu äußerst günstigen Preisen an Pflegekräfte vermietet. Die Gradmann-Stiftung will so dem eklatanten Personalmangel begegnen: Mit bezahlbarem Wohnraum Menschen für nicht gerade üppig honorierte Pflegeberufe gewinnen.
Ostfilderns Alt-OB Herbert Rösch, Geschäftsführer der Stiftung, ist überzeugt, dass sich so der Mangel an Pflegekräften bekämpfen lässt. „Um mehr Arbeitskräfte aus dem pflegerisch-sozialen Bereich halten und gewinnen zu können, müssen wir bezahlbaren Wohnraum schaffen“, sagt er. Aus diesem Grundgedanken ließ die Gradmann-Stiftung im Ruiter Ortskern das „Haus Liselotte“ errichten. Im Erdgeschoss hat die Stadtbäckerei Schultheiss eine Filiale. In den Obergeschossen befinden sich 14 Mietwohnungen mit Wohnflächen von 60 bis 105 Quadratmetern. Statt der in Ostfildern üblichen Miete für Neubauten von bis zu 14 Euro pro Quadratmeter zahlen Pflegekräfte für die Dienstwohnung acht Euro Kaltmiete. Dies ist möglich, weil die Gradmann-Stiftung die Wohnungen als Träger subventioniert und an das Samariterstift Ostfildern als Generalmieter vermietet. „Bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss man aus der Wohnung ausziehen“, erklärt Rösch. „Sollten allerdings Wohnungen nicht von Mitarbeitern genutzt werden, werden sie auf dem freien Markt vermietet.“ Nach Angaben von Michél Hömke, Hausleiter des Samariterstifts, erfreuen sich die großzügigen und lichtdurchfluteten Wohnungen großer Beliebtheit und sind bereits vermittelt.
Um den Neubau an der Stelle errichten zu können, mussten viele Hürden genommen werden. Bestehende Gebäude mussten weichen, was lange Verhandlungen erforderte. Ein schwieriges Geschäft für die Gradmann-Stiftung und die Planer. Er sei „sehr erleichtert“, dass alles so realisiert werden konnte, sagte Herbert Rösch. Das kleine Grundstück und die vorgefundenen Eigentumsverhältnisse seien besondere Herausforderungen gewesen. Umso glücklicher sei er, dass das Werk so gelungen sei. Stolz auf das Werk ist auch Architekt Andreas Theilig. Er betonte, dass die Form des Gebäudes nicht dem gestalterischen Übermut des Architekten entsprungen sei. Alles an der Gestaltung mache Sinn. Die Schrägen dienten dazu, mehr Licht ins Gebäude zu lassen.
OB Bolay dankte der Gradmann-Stiftung. Das „Haus Liselotte“ sei für die Stadt wie ein Geschenk. Es sei richtig gewesen, den Platz für das Projekt zur Verfügung zu stellen. Optisch sei das Gebäude eine Bereicherung.
Insgesamt zählt das Gebäude sechs Stockwerke. Ab dem ersten Obergeschoss setzt es sich aus zwei getrennten Baukörpern zusammen, die durch das gemeinsam genutzte Untergeschoss miteinander verbunden sind. Durch einen neuen Innenhof entstanden für die Mieter sieben Parkplätze, zudem wurden zwei Stellplätze auf der Gebäudeseite an der Hedelfinger Straße errichtet. „Ich freue mich, dass dieses außergewöhnliche Konzept zum 30-jährigen Bestehen der Erich-und-Liselotte-Gradmann-Stiftung realisiert werden konnte“, sagte Rösch. Man werde mit dem Neubau dem Stiftungszweck gerecht, hilfsbedürftigen älteren Menschen einen angenehmen Lebensabend zu verschaffen. Hf / Foto: Horst Rudel