Kreisweite Mostprämierung in Neuffen – Harmonie von Farbe, Geruch und Geschmack
Der Landkreis Esslingen hat kürzlich zum ersten Mal eine kreisweite Mostprämierung ausgerichtet. Dabei traten im Weinkeller der Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck in Neuffen 22 Erzeuger mit 23 Produkten aus ihren Streuobstwiesen an. Die Erstplatzierten, Hermann Haußmann aus Oberboihingen, Stefan Ott aus Dettingen, Siegfried Kirsamer aus Neidlingen und Peter Röser aus Baltmannsweiler, werden sich in der zweiten Monatshälfte bei der Mostmeisterschaft des Vereins Schwäbisches Streuobstparadies mit den Siegern der Prämierungen in fünf weiteren Landkreisen messen.
Etwa 50 Leute sitzen an den langen Tischen im historischen Gewölbekeller der Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck in der Stadtmitte von Neuffen in kleinen Gruppen beisammen. Sie alle sind Experten in Sachen Most und an diesem Abend dazu aufgerufen, die überzeugendsten Tropfen aus dem Landkreis zu küren. Halbgefüllte Gläser mit goldgelber Flüssigkeit werden gegen das Licht gehalten und sacht geschwenkt. Immer wieder werden die Nasen tief in das Glas gesteckt, Düfte und Aromen eingesammelt. Lippen werden gespitzt, langsam werden kleine Schlucke genommen und über die Zungen gerollt. Dann wird gemurmelt, besprochen, diskutiert. Die Farbe und Klarheit des Mosts sollen zufriedenstellen, Geruch und Geschmack müssen überzeugen und es müssen Punkte für die Harmonie, das Zusammenwirken von Optik und Sensorik, vergeben werden.
Marion Leuze-Mohr, die Erste Landesbeamtin und Stellvertreterin des Landrats, Neuffens Bürgermeister Matthias Bäcker, die Sommelière Christiane Leibssle, Christel Schäfer und Sigrid Jetter, die Vorsitzenden der Obst- und Gartenbau-Kreisverbände Esslingen und Nürtingen, Gerhard Schmid, Brenner, Obstkenner und früherer Deizisauer Bürgermeister, der Weingärtner Helmut Dolde und der Most- und Obstfachmann Rudolf Thaler bilden die Jury. Ihr Urteil wird allerdings nur zu 40 Prozent in die Bewertung einfließen, ausschlaggebend ist die Expertenmeinung der Erzeuger.
Die haben mit der Begutachtung und Beurteilung der Kostproben, die auf den Tisch kommen, keine leichte Aufgabe. Schließlich sollen innerhalb von knapp zwei Stunden 23 Produkte bewertet werden, die bereits bei Prämierungen der örtlichen Obst- und Gartenbauvereine vorne mitgespielt hatten. „Wir stellen fest, dass wir mittlerweile ein sehr hohes Niveau bei den Produkten haben“, sagt der Mostereibesitzer Alexander Seiz aus Schwäbisch Gmünd, der die Prämierung moderiert. Und da auch die eigenen Tropfen unter die Nase kommen, gilt es, sich vor allzu vorlauter Kritik zu hüten. Dennoch verschafft sich mancher der Experten deutlich Luft. „Das ist mal ein Most wie er sein soll, hoher Birnenanteil, schön durchgegoren, sauber ausgebaut, klar und ehrlich“, lobt ein Juror. Doch schon die nächste Probe findet keine Gnade. „Das schmeckt ja wie Apfelsaft“, tönt es missbilligend aus einer Gruppe.
„Es ist nichts Schlechtes dabei. Aber mit dem Most ist es wie mit dem Wein, es ist immer eine ganz individuelle Geschmacksfrage“, kommentiert der Erzeuger Andreas Brunthner aus Hochdorf. Er nimmt regelmäßig an Prämierungen teil, „und ich war mit demselben Most schon ganz vorne und beim nächsten Mal Letzter“, erzählt er.
Der Weingärtner Helmut Dolde aus Linsenhofen bestätigt die Sache mit dem Geschmack und zieht eine weitere Analogie. „Es gibt keinen Unterschied zwischen Wein und Most. Die Bereitung ist im Wesentlichen die Gleiche“, stellt er fest. Allerdings sei der Weinbau, trotz der mittlerweile hohen Qualität des Mosts, viel weiter in der Raffinesse des Ausbaus der Produkte. „Der Most steckt vergleichsweise noch in den Kinderschuhen“, sagt er. So könnten die Mosterzeuger von der Weinwirtschaft einiges abschauen. „Die Auswahl der verwendeten Frucht, der Umgang mit Hefe und Vergärung – man kann viele Fehler vermeiden. Was in der Mostherstellung noch fehlt, ist eine begleitende Analytik“, sagt Dolde. Andreas Brunthner will jedoch einen wichtigen Aspekt nicht außer Acht lassen. „Hauptsache ist doch, der Most schmeckt mir“, sagt er. pst / Foto: pst