Wunsch und Wirklichkeit

Mit einem Strategieprozess für die Zukunft der Innenstadt will Esslingen Weichen in Zeiten des Strukturwandels stellen

Wer durch die Esslinger Innenstadt geht, begegnet dem Strukturwandel auf Schritt und Tritt: Alteingesessene Geschäfte verschwinden, neue entstehen, und auch wenn man im Rathaus gern von minimalem Leerstand spricht, drängt sich manchen Esslingern ein anderer Eindruck auf. Wenn Kommune, Stadtgesellschaft und Geschäftswelt den Strukturwandel und die Herausforderungen der Zukunft etwa durch den Klimawandel meistern wollen, werden alle Beteiligten intensiv darüber nachdenken müssen, was die City für ihre Attraktivität tun kann. Mit einem Strategieprozess Zukunft Innenstadt will Esslingen die richtigen Weichen stellen. Unter dem Motto „Esslingen – Jahrhunderte jung“ soll sich die Stadt positionieren. In unterschiedlichsten Beteiligungs- und Diskussionsformaten wurde eine Wunschliste mit etwa 300 Positionen zusammengetragen – was wann und wie realisiert wird, muss der Gemeinderat entscheiden. Die bisherigen Überlegungen fanden breite Zustimmung, auch wenn vieles noch reichlich allgemein formuliert ist.
Christine Clement-Wiegand, die Leiterin des Amtes für Wirtschaft, geht von einem mehrjährigen Prozess aus. Acht Handlungsfelder hat die Stadt zusammen mit dem Strategieberater Frank Heinze festgemacht: Freiraum- und Aufenthaltsqualität, Mobilität, Verkehr und Netzinfrastruktur, Wohnen und Soziales, Wirtschaft, Kultur und Freizeit, öffentliche und stadtgesellschaftliche Institutionen, Umwelt und Klima sowie Stadtmarketing und Citymanagement. Nun gilt es, die richtigen Maßnahmen im Detail anzugehen. Die Voraussetzungen stimmen laut Heinze: „Ich kenne keine Stadt, die solches Potenzial hat.“
Im Gemeinderat erhielten die Verantwortlichen im Rathaus breite Zustimmung, „das Zielbild zu konkretisieren, umzusetzen und die Umsetzungsorganisation sowie das Monitoring zu koordinieren“ – nicht nur mit Blick auf das Stadtjubiläum 2027, sondern darüber hinaus bis ins Jahr 2032. Carmen Tittel (Grüne) ist überzeugt: „Die beschriebenen Maßnahmen sind geeignet, die Innenstadt aufzuwerten, zu beleben und in die Zukunft zu führen.“ Viele Veränderungen seien nur zusammen mit Anwohnern, Hausbesitzern oder Geschäftsleuten zu machen. Christa Müller (SPD) sprach von ei­nem klugen und authentischen Zielbild und lobte die breite Einbindung der Öffentlichkeit. Nun gelte es, die richtigen Einzelentscheidungen zu treffen und dabei die Stadtteile nicht zu vergessen. Jörg Zoller (Freie Wähler) schätzt die Attraktivität der Innenstadt, warnte aber davor, „sich nur auf die Kulisse zu verlassen“. Seine Fraktion erwarte, dass auch größere Projekte wie die Aufwertung des Marktplatzes angepackt werden. Sven Kobbelt (FDP) sprach von „einem großen Topf, aus dem man schöpfen kann“. Er wünscht sich, „dass das, was Esslingen auszeichnet, noch stärker herausgearbeitet wird und dass mehr konkrete Ziele formuliert werden“. „Den Allgemeinplätzen im Papier wird sich niemand verschließen“, vermutet Tim Hauser (CDU). Über konkrete Projekte und deren Umsetzung müsse man allerdings reden und dabei auch die Meinungen der Bürger einbeziehen. Martin Auerbach (Linke) fühlte sich an einen Lieblingssatz von Ex-Oberbürgermeister Jürgen Zieger erinnert: „Alle Wirklichkeit ist konkret.“ Und da passe vieles mit den Zielen nicht zusammen. Kritik kam auch von Sigrid Cremer (FÜR), etwa an der Architektur des Qbus oder der Streichung des Stadttickets.
Oberbürgermeister Matthias Klopfer sieht Esslingen mit seinem Strategieprozess zur Innenstadt auf dem richtigen Weg. Wenn er durch Esslingen gehe, spüre er eine pulsierende Stadt – mit dem Neubau der Hochschule in der Weststadt, der Umstellung auf elektromobilen Busverkehr oder der Aufwertung von Marktplatz und Ritterstraße, die die Stadt konsequent anpacken wolle, habe man wichtige Zeichen gesetzt. Klopfers Eindruck: „Andere Städte beneiden uns um unsere Chancen.“ Der Strukturwandel könne allerdings nur im Zusammenwirken aller Beteiligten gelingen.

adi / Foto: imago/Franz Walter


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