Zu wenig Geld fürs Schwein

Viele Schweinemastbetriebe hören auf – Lang anhaltende Tiefpreisphase – Auch Hofläden sind keine Patentlösung


Bis Anfang März werden die letzten Schweine verkauft und der Stall des Waldhofes am Esslinger Jägerhaus leer sein. Landwirt Marcel Merz beendet die Schweinemast. „Wenn wir noch davon leben könnten, würden wir weitermachen“, sagt er. Auch viele seiner Kollegen kämpfen ums Überleben ihres Betriebs oder machen dicht, denn seit Jahren fallen die Preise immer weiter. „Wir sind in einem absoluten Preistief“, bestätigt Reinhold Klaiber, der Leiter des Kreis-Landwirtschaftsamtes. „Die Betriebe legen seit zwei Jahren komplett drauf.“ Um 1,30 Euro bekommen die Landwirte derzeit pro Kilo Schlachtgewicht. Auskömmlich wären 1,70 bis 1,80 Euro.

Landwirt Thomas Klein von den Erlenhöfen, zwischen Wernau und Wendlingen gelegen, rechnet vor, warum derzeit nichts für den Bauern bleibt: Ein durchschnittliches Schwein mit rund 100 Kilo Schlachtgewicht bringe um die 125 Euro. Wenn er 60 Euro fürs Ferkel und rund 60 Euro fürs Futter ausgebe, sei der Gewinn schon so gut wie dahin – und Wasser, Strom, Gebäudekosten oder Arbeitszeit sind noch gar nicht berücksichtigt. Bei Klein stehen im Schnitt rund 800 Schweine im Stall. Dass er sich noch halten kann, führt der Bauer auf zwei Aspekte zurück: Er baut das Futter für die Tiere selbst an und verringert damit die Kosten. Und er hat zusätzlich zum Verkauf an Regionalschlachthöfe, der etwa die Hälfte ausmacht, „andere Vermarktungsschienen“. So beliefert er eine Filialmetzgerei, die für regional erzeugtes Fleisch einen höheren Preis zahlt. Außerdem schlachten Kleins selbst und verkaufen das Fleisch und die Wurst in ihrem Hofladen. Dass die Direktvermarktung die Bauern retten kann, bezweifelt der Landwirt dennoch: Sie mache in seinem Fall nicht einmal zehn Prozent des Umsatzes aus, abgesehen von den Auflagen und Investitionen. Und die ganze Familie sei im Hofladen, im Partyraum und beim Partyservice eingespannt. Die Leute seien zwar schockiert, wenn sie Filme von Tiertransporten im Fernsehen sähen, sagt Klein. Aber letztlich nähmen sie doch das Sonderangebot im Supermarkt oder das Billigfleisch aus dem Discounter, anstatt gezielt einen Hofladen anzusteuern.

Die Initiative Tierwohl des Lebensmitteleinzelhandels sehen die Landwirte ebenfalls skeptisch. Zwar verspricht sie Bauern bei Einhaltung bestimmter Kriterien mehr Geld. Allerdings wisse kein Landwirt, ob er tatsächlich ins Programm reinkomme und wie lange die zugesagten Preise gälten, sagt Marcel Merz. Wie solle man da in bessere Bedingungen investieren?

Gemäß der Theorie vom „Schweinezyklus“ durchläuft der Fleischpreis im drei- bis vierjährigen Rhythmus Hoch- und Tiefpreisphasen. Aber das gelte so auch nicht mehr, hat Merz festgestellt: „Ich warte schon sechs Jahre drauf, dass es aufwärts geht.“ Die Preisspitzen würden immer kürzer und die Preistäler immer länger. Er hat deshalb die Reißleine gezogen und ist derzeit am Abverkauf der letzten Schweine. Als Alternative hat die Familie einen Hühnerhof übernommen und möchte die Eier direkt vermarkten – unter anderem über ihre fünf Eier-Automaten. Ausbauen will Merz auch die Zucht von Wagyu-Rindern. Wenn beides nicht so laufe wie erhofft, müsse er sich eine Anstellung suchen, sagt Merz, „aber in einer anderen Branche“.

Reinhold Klaiber vom Landwirtschaftsamt bestätigt, dass zahlreiche Betriebe ihre Bestände verringern oder ganz aufhören. Grob gerechnet halbiere sich alle zehn Jahre die Zahl der Schweinemäster. Waren es laut dem Statistischen Landesamt im Kreis Esslingen 1999 noch 146 Schweinemast-Betriebe, blieben 2010 nur 64. Inzwischen sind es noch deutlich weniger. Manche Höfe versuchen mit zusätzlichen Standbeinen wie Ackerbau, Pensionspferden oder Biogasanlage zu bestehen.

Bio-Höfe bekommen etwa drei Mal so viel fürs Kilo Mastschwein wie konventionelle Erzeuger, haben allerdings auch höhere Kosten: Schon das Ferkel koste das Dreifache, sagt Walter Alber vom Biolandhof in Aichtal, auch das Futter sei teurer und die Aufzucht daure länger. Trotzdem sei man vom Preisverfall nicht ganz so stark betroffen. Als Patentlösung sieht er die Umstellung auf Bio nicht. Sie brauche zeitlichen Vorlauf und müsse für den ganzen Betrieb, nicht nur für einen Bereich, erfolgen. Und nicht zuletzt müsse auch der Markt für so viel – naturgemäß teureres – Bio-Schweinefleisch da sein.     aia / Foto: aia


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