Zum Wegwerfen viel zu schade

In Repair-Cafés bekommen kaputte Teile ein neues Leben – Mitarbeit ist gefragt – Einrichtungen in Nürtingen, Esslingen und Kirchheim

Aus dem Kopfhörer kommt nur noch Knacken und die Lieblingshose hat ein Loch. Keine Ahnung, wie man das wieder hinbekommt? Dann lohnt sich ein Besuch im Repair-Café. Dort helfen Experten dabei, defekte Elektrogeräte, platte Fahrradreifen oder das wackelige Stuhlbein zu richten. In Nürtingen hat eine solche Einrichtung bereits den Betrieb aufgenommen, Kirchheim und Esslingen folgen in Kürze.

Freitagnachmittag in der weitläufigen Werkstatt der Nürtinger Seegrasspinnerei: An den Tischen herrscht reger Betrieb. Edgar Holl vom Repair-Café-Team beugt sich über den Antrieb einer Nähmaschine. Die alte Overlock läuft nicht mehr richtig rund. „Da sieht man’s“, sagt er und deutet auf ein paar schwarze Striche am Antriebskopf. „Das kriegen wir wieder hin“, ist er optimistisch. Holl ist ein echter Bastler. „Mein Motorrad habe ich jetzt seit 41 Jahren, das war noch nie in der Werkstatt“, erzählt er. Für ihn sind – wie für alle anderen, die sich im Nürtinger Repair-Café engagieren – viele Dinge zum Wegwerfen schlicht viel zu schade.

„Klassisches Verschleißteil“, sagt Karl-Heinz Liebhart, der sich ein Kofferradio mit CD-Player anschaut, das Heiner Sauter ins Repair-Café gebracht hat. Die Klappe des CD-Fachs schließt nicht mehr richtig, deshalb geht der Player dauernd aus. Schuld ist ein kleines Plastikteil, das sich auch nicht ersetzen lässt. Normalerweise würde das Gerät nun beim Elektroschrott landen – auch wenn Radio und CD-Player noch völlig in Ordnung sind.

Aber Liebhart hat schon eine Idee, wie die Klappe künftig zu bleibt. Ein simpler Riegel soll das Fach fixieren. „Dann ist aber ein kleines Loch in der Klappe“, sagt er zum Besitzer. Der zuckt nur mit den Schultern: „So nützt er mir schließlich nichts“, stimmt er zu.

Jeden zweiten Freitag im Monat,  von 17 bis 19 Uhr, kümmert sich das rund 30-köpfige ehrenamtliche Team des Nürtinger Repair-Cafés um kaputte Mikrowellen, Kabelsalat beim Staubsauger oder die verstellte Gangschaltung. Auch Nähmaschinen stehen bereit, an denen sich Ratsuchende zeigen lassen können, wie ein Reißverschluss eingenäht oder eine Kappnaht gemacht wird. Selbst PC-Fachleute, Schlosser und Schreiner hat das Team in seinen Reihen.

Nur die kaputten Dinge abgeben und bei Reparaturerfolg wieder abholen, das geht im Repair-Café aber nicht. „Die Leute sollen dabei sein und selbst aktiv werden, damit sie es irgendwann selbst machen können“, erklärt Hanne Küchler, die am Eingang erst mal alle mitgebrachten Gegenstände aufnimmt und später Erfolg oder Misserfolg  des Reparaturversuchs dokumentiert.

Konzentriert hockt derweil Eric an einem der Tische bei Klaus Breitenbach. Zwei seiner Spielzeugautos sind hin. Gemeinsam mit dem Neunjährigen macht sich Breitenbach an die Arbeit, richtet die Frontachse und schaut nach Ersatz für das ramponierte Zahnrad, das den ferngesteuerten Renner lahmlegt. Wenig später setzt Eric die letzte Schraube wieder ein und dreht sich stolz zu seiner Mutter um: Das Auto rollt wieder.

Die Idee zu den Repair-Cafés kommt aus den Niederlanden. Dort eröffnete 2009 das erste Repair-Café in Amsterdam. In Deutschland nimmt der Trend nun ebenfalls Fahrt auf. Nach den Großstädten macht die Hilfe zur Selbsthilfe inzwischen auch in kleineren Städten Schule. Nach dem Nürtinger Repair-Café gehen nun auch in Esslingen und Kirchheim Repair-Cafés an den Start.

In Kirchheim ist das Projekt unter dem Dach des Quartiertreffs „Wir Rauner“ in der Eichendorffstraße 73 angesiedelt. Am kommenden Samstag, 28. März, öffnet das Café zwischen 13 und 16 Uhr erstmals seine Türen. 24 feste Zusagen hat Ansprechpartner Klaus Fernow und so stehen auch dort Fachleute für Elektro, Geräte ohne Kabel, Textiles, Holz und Fahrräder zur Verfügung. Jeden letzten Samstag im Monat wollen sie zeigen, dass Do it yourself meist nicht so schwierig ist wie gedacht. Reparatur, Kaffee und Kuchen sind wie übrigens in den meisten anderen Cafés auch kostenlos, Spenden willkommen. Am gleichen Tag wird auch das erste Esslinger Repair-Café im Zentrum für Arbeit und Kommunikation in der Franziskanergasse 7 Premiere feiern. Das Team will dort jeweils am letzten Samstag in den ungeraden Monaten von 11 bis 18 Uhr mit Rat und Tat paratstehen.           mo / Foto: mo

 

Info: www.repaircafe.org/de/


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